Praxis für Alternative Psychosomatik und Traumdeutung, Dr. Remo F. Roth, CH-8000 Zürich

Remo F. Roth

Dr. oec. publ., Ph.D.

dipl. analyt. Psychologe (M.-L. v. Franz)

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Eros-Bewusstsein Körperseele Bauchhirn

 revised edition in English

 Neo-Tantrismus und Körperzentrierte Imagination - 

Nachahmung des östlichen

oder kreativer Neubeginn auf dem westlichen Weg?

 

Die Esoterik spricht immer wieder vom so genannten "dritten Auge", das angeblich im Prozess der "Erleuchtung" geöffnet wird. Im buddhistischen und hinduistischen Tantrismus entspricht dieses dem Chakra ajna (vgl. dazu Bilder aus dem Bauch), das sich über der Nasenwurzel auf der Stirn befinden soll. Ein wesentliches Ziel der heutigen Nachahmungen des tantrischen Initiationsprozesses in der westlichen Welt - des so genannten Neo-Tantrismus - besteht eben darin, dieses "dritte Auge" durch eine Konzentration auf die betreffende Stirnregion zu öffnen.

Wie ich im Beitrag Bilder aus dem Bauch gezeigt habe, ist dieses Vorgehen nicht mit unserem kulturellen Hintergrund, der mehrere tausend Jahre alten jüdisch-christlichen Tradition vereinbar, da wir darin diesen tantrischen Prozess schon einmal, allerdings in einer fragmentarischen Art und Weise, durchlaufen haben. Eine Konzentration auf das ajna verfestigt daher unsere Identifikation mit dem Logos-Bewusstsein und führt in das heute grassierende "esoterische Denken" hinein, das die spirituellen Einsichten des Ostens mit Hilfe der westlichen Logik verbinden will und so letztlich in die abstruse Logik der mittelalterlichen Scholastik regrediert. In dieser wurde beispielsweise ernsthaft diskutiert, ob ein Engel durch ein Nadelöhr hindurch gehe oder nicht. Ähnliche Argumentationen finden man in der esoterischen Szene.

Ich schlage daher im Gegensatz zum Neo-Tantrismus vor, dass das westliche Bewusstsein sich vorerst von seiner Identifikation mit dem Logos löst, um das von mir postulierte, kompensierende Eros-Bewusstsein aufzubauen. Dieses ist in der Lage, mit der von mir so genannten Körperseele in Kontakt zu treten. Diese Körperseele entspricht einem introvertierten Wahrnehmungsorgan, das sich im Bauch jedes einzelnen Menschen befindet. Paracelsus hat dieses Organ den Archaeus oder auch den Alchemisten des Magens genannt. In einer modernen Sprache nennen wir dieses Wahrnehmungsorgan das vegetative Nervensystem. Letzeres stellt ein völlig auf die "Innenansicht der Materie" - eben auf die Körperseele - ausgerichtetes Organ dar.

Die Körperseele verfügt auch über ein eigentliches Gehirn - ich nenne es das Bauchhirn -, das heisst, ein wissendes Zentrum, welches seinen Sitz im Bauch hat. Der buddhistische und der hinduistische Tantrismus haben dieses Zentrum in die drei sogenannten unteren Chakras (vgl. dazu Bilder aus dem Bauch) in der Bauchregion ausdifferenziert, die sie mit den entsprechenden Zentren des vegetativen Nervensystems verbinden (vgl. Vegetatives Nervensystem und Chakras). Wir Westler spüren davon noch am ehesten das manipura (s.dazu Die Chakras des Tantrismus), den Solarplexus, das Sonnengeflecht im Magenbereich. Doch schon der Kontakt zum "Wasserchakra", dem svadhisthana, das ganz wesentlich mit dem Eros-Bewusstsein verbunden ist, bereitet uns allergrösste Mühe.

Die erfolgreiche Beziehung dieses erneuerten Bewusstseins mit dem Bauchhirn (oder Hirn der Körperseele) äussert sich darin, dass dieses Bilder oder Bildfolgen (manchmal auch Auditionen) wahrnimmt, die die "Innenansicht des Körpers" beschreiben. Diese Bilder beinhalten ein vom Kopfhirn unabhängiges Wissen des vegetativen Nervensystems (oder eben des Bauchhirns) des menschlichen Körpers. Die Wahrnehmung dieser Bilder kann mit der von Karl von Frisch in den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts entdeckten Informationsübertragung der gehirnlosen Bienen mit Hilfe ihres so genannten Schwänzeltanzes verglichen werden. Die Befreiung eben dieses Wissens entspricht in der Terminologie des Tantrismus der Transformation des grobstofflichen in den feinstofflichen Körper, des sthula in suksma (vgl. dazu Bilder aus dem Bauch).

Diesen feinstofflichen Körper finden wir in der westlichen Tradition im Begriff des subtle body (link1, link2) wieder. Er spielt in der Initiation der muslimischen Mystik, im Sufismus, eine ganz zentrale Rolle. Unser westlicher Intellekt, der seit René Descartes nur noch an den mit unseren Sinnen fassbaren Aspekt der Körpermaterie (res extensa) glaubt und daher die Erfahrung des "inneren Körpers" weitgehend verdrängt, konkretisiert nun auch diesen "Hauchkörper" und meint, auch er müsse irgendwie in den Kategorien des physischen Körpers beschrieben werden. Auf dieser irrigen Meinung fussen dann die seltsamsten Spekulationen und Theorien über diesen Körper. So glaubt beispielsweise die australische "Lichtmeisterin" Jasmuheen, dass sich ihre Erbsubstanz (DNA) aus 12 statt aus den von Watson und Cricks gefundenen zwei Strängen zusammensetzt. Sie weigert sich allerdings bis heute, dieses Hirngespinst durch eine naturwissenschaftliche Erbgutanalyse bestätigen zu lassen.

Im Gegensatz dazu weiss jede Mystikerin, jeder Mystiker, dass die Begriffe der Naturwissenschaft auf den subtle body nicht anwendbar sind. Er stellt eben ein andersartiges Drittes dar, das nicht in den Kategorien unseres westlichen naturwissenschaftlichen Weltbildes beschrieben werden kann. Um diesen "inneren Körper" zu erfahren, müssen wir uns, wie gesagt, vorerst bemühen, aus der Identifikation mit dem Logos auszusteigen und in das von mir so genannte Eros-Bewusstsein hinein finden, das eine Beziehung zur Körperseele mit ihrem Bauchhirn ermöglicht. Nur dieses ist in der Lage, den Hauchkörper zu erleben. Im Fall einer Krankheit äussert sich dieser als eine Folge von "Bildern aus dem Bauch", die das Krankheitssymptom kompensiert und mit Hilfe der von mir entwickelten Technik der Symptom-Symbol-Transformation (oder Körperzentrierten Imagination zur Behandlung eingesetzt werden kann.

Sowohl diese Methode als auch meine weiteren Einsichten leite ich vor allem aus eigenen Träumen und aus Träumen meiner Klientinnen und Klienten ab. Solche archetypische Träume dienen mir auch als Kontrollinstanz über meine neuen Hypothesen. Daher soll auch hier ein Traum eines Klienten beschrieben werden, der meine obige Ansicht bestätigt hat.

Bei meinem Klienten handelt es sich um einen Naturwissenschaftler, der infolge seines familiären Milieus und seiner Ausbildung ganz wesentlich mit dem Logos identifiziert war. Andererseits litt er unter psychosomatischen Herzproblemen (Extrasystolen) (vgl. dazu auch Beispiel einer Visualisierung über Extrasystolen des Herzens), die ihm immer wieder Todesängste einjagten. Diese Ängste raubten ihm auch den Schlaf, so dass er bei Beginn der Behandlung einen ziemlich erschöpften Eindruck machte. Als Folge seines Schlafmangels litt er natürlich unter chronischer Müdigkeit. Er konnte sich daher kaum mehr konzentrieren, worunter auch seine wissenschaftliche Arbeit litt.

Ein naturwissenschaftlich orientierter Arzt würde derartige Symptome als den auszurottenden Feind betrachten und meinem Klienten neben Medikamenten zur Unterdrückung der Extrasystolen (Betablocker) wahrscheinlich schwere Schlafmittel verschreiben. Derartige Symptome besitzen jedoch immer auch einen Sinn. In diesem Fall wollte offensichtlich eine höhere Instanz meinem Klienten "den Kopf abstellen" und ihn aus der Identifikation mit dem Logos herausreissen. Ich unterstützte dieses Bemühen, indem ich ihm empfahl, mit Hilfe meditativ-imaginativer Übungen einen Kontakt mit seinem Bauch aufzunehmen. Anfänglich bekundete mein Klient damit die grösste Mühe, und diese neue Einstellung, die für uns auf das ajna fixierte Menschen des 20. Jahrhunderts äusserst ungewohnt ist, gelang ihm vorerst nur unter meiner Anleitung. Doch steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein, und so konnte er sich mit der Zeit auch zuhause oder in seinem Büro in das von mir so genannte Eros-Bewusstsein fallen und so die "Bilder aus dem Bauch" aufsteigen lassen. Diese täglichen Übungen führten dann auch zum Verschwinden seiner Extrasystolen, und auch der Schlaf stellte sich wieder ein. In diesem Moment, in dem er gelernt hatte, selbständig aus seiner Identifikation mit dem Logos auszusteigen und mit Hilfe seines Eros-Bewusstseins eine Beziehung zum "Bauchhirn" aufzunehmen, träumte mein Klient den folgenden Traum:

  

Traum von der Prüfung beim „Meister" mit dem "dritten Auge":

Ich sehe vor mir eine Gruppe von Schülern mit ihrem „Meister" (Ich weiss im Traum einfach, dass dies der Meister ist). Sie werden von ihm geprüft. Es ist eine Abschlussprüfung für die „Einweihung". Alle sitzen im Schneidersitz, die Hände in den Schoss gelegt. In ihren Händen, d.h. auf der Höhe des Bauches, halten alle ein gelbes Büchlein. Darin ist das „Wissen" aufgeschrieben. Um die Fragen des Meisters zu beantworten, müssen sie dieses gelbe Büchlein von Zeit zu Zeit konsultieren. Dies geschieht aber nicht, indem sie es mit Hilfe ihrer Augen lesen, sondern sie erfahren dieses Wissen indirekt, nämlich über eine Konzentration auf den Bauch.

Ich selber werde nicht geprüft, doch habe ich die Aufgabe, die ganze Szene ganz genau zu beobachten.

Plötzlich wird mir gewahr, dass der Meister eine seltsame Brille trägt. Das Erstaunliche daran ist, dass sie drei schwarz umrandete Gläser besitzt. Zwei dieser Gläser bedecken wie üblich die beiden Augen, das dritte Glas sitzt hingegen in deren Mitte, über der Nasenwurzel. Natürlich fällt mir dazu sofort das „dritte Auge" der Tantristen ein. So viel ich weiss, hat dieses etwas mit „Erleuchtung" zu tun.

 

Nach den vorausgehenden Erläuterungen dürfte es nicht allzu schwer sein, den Traum unmittelbar zu verstehen. Das Buch bedeutet natürlich das Wissen, gelb bedeutete im alten China des Taoismus die Mitte. Auf den Menschen übertragen ist das der Bauch. Die Konzentration auf den Bauch wird im Traum noch dadurch betont, dass alle Prüflinge ihr gelbes Büchlein vor den Bauch halten.

Offensichtlich sitzt das für die "Erleuchtung" nötige Wissen im Bauch und kann nur in der "Meditation" (Schneidersitz) befreit werden. Der eigentlich Wissende ist aber der "Meister". Er verfügt offensichtlich über das "dritte Auge", und zwar auf der Stirn.

Wir können also folgenden Schluss ziehen: Es existiert ein "alter Weiser" in uns, das heisst, eine innere Instanz, die über das "dritte Auge" der Erleuchtung oder Offenbarung verfügt. Dieses Wissen wird unserem Bewusstsein jedoch nur zugänglich, wenn wir uns auf unseren Bauch konzentrieren. Der Traum zeigt daher sehr schön, dass wir im Westen den indirekten Weg wählen müssen, um die Prüfung zur "Erleuchtung" zu bestehen: Den Zugang zur "Erleuchtung" des "Meisters" erhalten wir nicht etwa über eine Konzentration auf das ajna auf der Stirn, sondern über eine Konzentration auf den Bauch, aus dem dann das bildhafte Wissen befreit wird. Der Traum bestätigt also vollumfänglich die oben dargelegte Methode der Körperzentrierten Imagination, die im Gegensatz zum Neo-Tantrismus unseren andersartigen kulturellen Hintergrund berücksichtigt und als erstes versucht, vom Logos-Bewusstsein in das Eros-Bewusstsein zu kommen, um die "Bilder aus dem Bauch" wahrzunehmen.

Es zeigt sich somit, dass unser westlicher spiritueller Weg in unseren Gedärmen beginnt! Dies ist weiter nicht erstaunlich, wenn man bedenkt, dass unsere zweitausendjährige christliche Entwicklung in eine geradezu groteske Überbetonung des Logos und damit in eine Situation hinein geführt hat, in der sich immer mehr und immer wesentlichere Dinge unseres täglichen Lebens in der virtuellen Welt des Computers abspielen. Den in naher Zukunft zu erwartenden Absturz dieser Welt und die damit verbundene kollektive Panik wird nur überleben, wer gelernt hat, sich in einem inneren spirituellen Prozess auf seinen Bauch zu konzentrieren.


Homepage Remo F. Roth

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