Remo F. Roth

Dr. oec. publ., Ph.D.

dipl. analyt. Psychologe (M.-L. v. Franz)


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©  2005 by Pro Litteris, Zurich, Switzerland and Remo F. Roth, Horgen-Zurich. All Rights Reserved. dr.remo.roth@psychovision.ch. Republication and redissemination of the contents of this screen or any part of this website are expressly prohibited without prior psychovision.ch written consent. This book is intended for private use only, and is copyrighted under existing Internet copyright laws and regulations.


 

Der Briefwechsel zwischen Wolfgang Pauli und C.G. Jung 

Ein Dokument des ungelösten psychophysischen Problems des 20. Jahrhunderts

 


Kapitel 1:  

1934: Wolfgang Paulis Wespenphobie und das Prinzip des kollektiven Eros

 

1.1 Bilden Wolfgang Paulis wissenschaftliche Hypothesen die Ursache seiner archetypischen Traum- und Visionsserien?

1.2 Parapsychologie, die raumzeitlose Seinsform der Psyche und die Reinkarnations-Hypothese

1.3 Die Wespenphobie Paulis und ihr bipolar-oszillativer Hintergrund

1.4 Die Wespenphobie und das Gegensatzproblem zwischen Logos und Eros

1.5 Niklaus von Flües Vision vom erschreckenden Gottesantlitz, sein Radbild, das Siegel Salomos und Wolfgang Paulis Weltuhr-Vision

1.6 Die erste Hypothese: Der Sinn von Paulis Wespenphobie besteht in der Integration des kollektiven Eros

 

Kapitel 2


 

1.1 Bilden Wolfgang Paulis wissenschaftliche Hypothesen die Ursache seiner archetypischen Traum- und Visionsserien?

Wolfgang Pauli (1900 – 1958), der Physiker und Nobelpreisträger, hatte im Jahr 1925 das nach ihm benannte Ausschliessungsprinzip (Pauliprinzip) postuliert, wofür ihm im Jahr 1945 der Nobelpreis verliehen wurde. Zwei Jahre später publizierte er eine weitere bahnbrechende Arbeit, in der er eine vierte Quantenzahl, den Spin, eine Art inneren Drehimpuls, einführte. Wieder zwei Jahre später, im Jahr 1929, realisierte er die Rotation im konkreten Sinn und heiratete eine Tänzerin (!). Offensichtlich war diese Verbindung das Resultat einer fast hundertprozentigen Projektion, weshalb er sich schon nach weniger als einem Jahr wieder scheiden liess. Wenige Tage nach dieser Scheidung, am 4. Dezember 1930, postulierte er – im inzwischen berühmt gewordenen Brief an die „Lieben radioaktiven Damen und Herren“[1] – die Existenz eines neuen Teilchens, des Neutrinos, genauer: des Antineutrinos. Dieses sollte die im radioaktiven Beta-Zerfall fehlende Energie mit sich führen und so ein Dogma der Physik, den Energieerhaltungssatz, retten.  

Das von Pauli in einem Verzweiflungsakt postulierte Antineutrino ist heute allgemein als real existierend anerkannt, obwohl es fast nicht mit der gewöhnlichen Materie wechselwirkt. Bis heute ist die Physik unsicher, ob es – wie das Photon, das Kraftträgerteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung – masselos ist. Neuere Experimente scheinen indirekt darauf hinzuweisen, dass es eine sehr kleine Masse besitzt. Wäre dem so, würde jedoch das Weltbild der heutigen mainstream-Physik, das sogenannte Standardmodell ernsthaft in Zweifel gezogen.  

Das Antineutrino war – nach der Postulierung des Positrons durch Paul Dirac im Jahr 1928 – das zweite Teilchen das der sogenannten Antimaterie angehört, einer eigenartigen Form der Materie, die nur im Vakuum existieren kann und beim Zusammentreffen mit gewöhnlicher Materie sich in einem explosiven Prozess mit dieser zusammen sofort in reine Energie umwandelt. Die äusserst seltsame metaphysische Begründung der Antimaterie – sie soll aus einem physikalisch unbeobachtbaren (!) Meer negativer Energie entstehen – habe ich in meiner Rome Lecture aus dem Jahr 1994 diskutiert, so dass der interessierte Leser darauf verwiesen sei.  

Das Geisterteilchen, wie es auch genannt wird, hat Pauli sein ganzes Leben lang nicht mehr losgelassen. So kommt er dann fast dreissig Jahre nach dessen Postulierung und kurz vor seinem Tod am 15. Dezember 1958 in einem seiner letzten Briefe auf das Antineutrino zurück und nennt es „dieses närrische Kind meiner Lebenskrise“[2].  

Das Antineutrino narrte Pauli und mit ihm die ganze Physik tatsächlich, als im Jahr 1957 nachgewiesen wurde, dass es ein bisher als unerschütterliches Dogma betrachtetes Symmetrieprinzip der Physik, die sogenannte Parität verletzt. Dies bedeutet, dass das Antineutrino im Gegensatz zu allen anderen Teilchen immer nur einen rechtshändigen Spin besitzt, während die Parität vorausgesagt hatte, dass es auch linkshändig „rotieren“[3] sollte. Für unsere Zwecke bemerkenswert ist die Tatsache, dass derart mit dem Antineutrino eine asymmetrische Rotation, nämlich die rechtshändige, verbunden ist, während die archetypische Idee der Symmetrie hinter den anderen Elementarteilchen bedeutet, dass für sie sowohl eine Rotation als auch eine Gegenrotation, ein linkshändiger und ein rechtshändiger Spin möglich ist. Psychologisch gesehen bedeutet die rechtshändige Rotation einen Prozess der Bewusstwerdung. Ich habe daher schon im Jahr 1992 in meinen Gottsuchern darauf hingewiesen, dass die Rechtshändigkeit des Antineutrinos einen Hinweis des kollektiven Unbewussten bedeutet, dass die dringende Notwendigkeit besteht, über die umfassendere Rolle des Antineutrinos – heute würde ich sagen, dessen psychophysischen Aspekt – bewusst zu werden.  

Kurze Zeit nach der Postulierung des Antineutrinos erlebte Pauli einen seelischen Zusammenbruch - die oben erwähnte Lebenskrise - , so dass er die Hilfe des ebenfalls in der Nähe von Zürich lebenden Psychiaters und Psychotherapeuten C.G. Jung in Anspruch nehmen musste[4]. Aus dieser ersten Begegnung des Physikers mit dem Tiefenpsychologen entwickelte sich ein äusserst fruchtbarer wissenschaftlicher Austausch. Ein grosser Teil dieses Dialoges der zwei Giganten ihres Faches[5] wurde in brieflicher Form geführt, so dass er für die Nachwelt erhalten geblieben ist. Dieser Briefwechsel wurde im Jahr 1992 von C.A. Meier, einem Zürcher Psychiater der beide Wissenschaftler gut kannte, publiziert und liegt seit dem Jahr 2001 unter dem Titel Atom and Archetype[6] auch in englischer Übersetzung vor.  

Die Folgen dieses Dialoges, und vor allem die Aussagen der darin enthaltenen Träume und Visionen Paulis, werden meines Erachtens für die weitere Entwicklung der Wissenschaft von zentraler Bedeutung sein, die heute allerdings noch weitgehend unterschätzt wird. Wie ich im folgenden zeigen werde, beinhaltet dieser Dialog nämlich – meist nur zwischen den Zeilen versteckt – den archetypischen Hintergrund des im 20. Jahrhundert sich konstellierenden psychophysischen Archetypus, dessen Bewusstwerdung am Beginn des 21. Jahrhunderts immer dringender wird.  

Die Leistung eines Wissenschaftlers wird heute im Allgemeinen noch völlig losgelöst von seinen Lebensumständen, und vor allem von seiner inneren Entwicklung beurteilt. Bei Wolfgang Pauli ist eine derartige abstrahierende Beurteilung seiner wissenschaftlichen Hypothesen nicht mehr möglich. Es lässt sich nämlich zeigen, dass einerseits ihm unbewusste archetypische Konstellationen ihn zu den oben erwähnten drei wissenschaftlichen Hypothesen geführt haben, andererseits diese Hypothesen, da sie zu einseitig sind, vom „absoluten“ oder „vorbewussten Wissen“ (C.G. Jung) des kollektiven Unbewussten in Träumen und Visionen immer wieder auf das Schärfste attackiert wurden. Wir werden die im Unbewussten Paulis einerseits als der Fremde (auch der Magier und der Weise) und andererseits als die Chinesin personifizierten Strukturelemente, die ihm ihr umfassenderes Wissen über die Natur des Universums in Träumen, Visionen und Auditionen beibringen wollten, bald kennen lernen.  

Vom rational-wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen bedeutet es eine Todsünde, Ereignisse des persönlichen Lebens eines Forschers mit dessen wissenschaftlichen Leistungen zusammenzubringen. Ich habe diese Todsünde oben schon begangen, indem ich Paulis Erfindung des Spins mit seiner Heirat mit einer Tänzerin zusammen gebracht habe. Wir wissen jedoch seit C.G. Jung, dass das von ihm so genannte kollektive Unbewusste infolge seines vorbewussten Wissens[7] kompensatorisch auf derartige Entwicklungen im Bewusstsein reagiert. Bleibt das Individuum in Bezug auf eine derartige Kompensation unbewusst, setzt sie sich konkretistisch durch – in Paulis Fall in der Heirat mit der Tänzerin. Es bleibt dabei allerdings die Frage offen, ob dieser luziferische[8] Aspekt des Unbewussten das betroffene Individuum nicht eigentlich in derartige konkrete Situationen hinein stösst, um es im Laufe seines Lebens über deren archetypischen Hintergrund bewusster werden zu lassen. Frühere Kulturen haben diesen Aspekt als das Karma bezeichnet, das man im Laufe seines irdischen Lebens abzutragen hat.  

Im Fall des Nobelpreisträgers Pauli lässt sich diese Zielgerichtetheit mit grosser Wahrscheinlichkeit nachweisen. Es ist daher die Absicht meiner folgenden Ausführungen, derartige Zusammenhänge aufzuzeigen. Dies bedingt seinerseits, dass wir uns auch mit den Träumen und Visionen Paulis beschäftigen, die im Briefwechsel mit C.G. Jung, aber auch in Briefen mit seinen Mitarbeiterinnen Marie-Louise von Franz und Aniela Jaffé, angesprochen aber nicht ausführlich diskutiert werden. Diese Diskussionen, und vor allem die Deutungen Jungs, haben jedoch im mündlichen Austausch, das heisst, in den therapeutischen Sitzungen die der Psychotherapeut Jung mit dem Patienten Pauli abhielt, ganz sicher eine ganz wesentliche Rolle gespielt.  

Im Kontrast zu anderen Publikationen, in denen ich themenzentriert vorgegangen bin, will ich hier den Briefwechsel chronologisch aufarbeiten. Es lässt sich derart sehr schön zeigen, dass die wesentlichen archetypischen Konstellationen sich in Pauli schon sehr früh zeigten und ihn ein Leben lang verfolgten. Letzterer Aspekt zeigt, dass der Physiker die damit aufgeworfenen Fragen nicht abschliessend beantworten konnte. Daher werde ich weiterführende Schlüsse ziehen, die in Richtung einer neuartigen psychophysischen Naturbeschreibung zielen werden, die Pauli und Jung gesucht, aber noch nicht gefunden hatten.

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See also further articles about Wolfgang Pauli in

http://www.psychovision.ch/rfr/roth_e.htm

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  26. Februar 2005