Remo F. Roth

Dr. oec. publ., Ph.D.

dipl. analyt. Psychologe (M.-L. v. Franz)

           

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zu diesem Thema siehe auch Die Neue Mystik und das Leben nach dem Tod 


Stichworte:  Extraktion der roten Tinktur

 

© copyright 2000 by Remo F. Roth, Zürich, Switzerland

 

Was uns die Träume über ein mögliches Leben nach dem Tod sagen

 

Eine Zusammenfassung der Ausführungen von Marie-Louise von Franz im Buch Traum und Tod (Kösel Verlag, München, 1984), ergänzt durch Kommentare (gez. RFR) und durch Träume, Visionen und Bilder aus der Praxis von Dr. Remo F. Roth

 

0. Einführung

1. Das Geheimnis im Leichnam

2. Motive der Vegetation: Baum, Korn, Blume

3. Die Todeshochzeit

4. Der dunkle Geburtsweg

5. Der Tod als der unheimliche oder hilfreiche "Andere"

6. Der Durchgang durch Feuer und Wasser

7. Die "Bearbeitung" des alten Körpers

 

 

0. Einführung

 

Immer mehr Menschen beschäftigen sich heute mit Fragen des Sterbens und des Todes und in diesem Zusammenhang auch mit jener, ob es ein Leben nach dem Tod geben könnte. Daher finden die Forschungen von Elisabeth Kübler-Ross immer grössere Beachtung. Auch die Erforschung der Nah-Tod-Erfahrungen hat uns wichtige Einsichten in ein mögliches Leben nach dem Tod und in die Erscheinungsweisen des Übergangs in die andere Welt gegeben.

Wir modernen Menschen sind es hingegen nicht gewohnt, in unserer eigenen Seele nach Hinweisen zu suchen, ob und wenn ja, wie das Leben nach dem physischen Tod weitergehen könnte. Es bedeutet daher ein äusserst grosses Verdienst von Marie-Louise von Franz, dass sie sich in ihrem letzen Buch vor ihrem eigenen Tod (am 17.2.1998) mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat. Anhand von Träumen Sterbender hat sie gezeigt, dass uns unser Unbewusstes schon Jahre bis Jahrzehnte vor unserem Tod auf ein Leben nach diesem Erdenleben vorbereitet.

Schon C.G. Jung hat gesehen, dass wir uns eigentlich schon zu Beginn der zweiten Lebenshälfte, das heisst also ab ungefähr 38 Jahren, mit dem Phänomen des bevorstehenden Todes und einer möglichen Vorbereitung auf dieses Ereignis beschäftigen sollten. Viele Menschen schieben diese Aufgabe jedoch Jahre und Jahrzehnte vor sich her, bis das Unbewusste mit eindrücklichen Träumen auf die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit der Frage des Lebens nach dem Tod an unserer Tür anklopft.

Diese Träume konzentrieren sich auf einige wenige Themen, welche in der folgenden Zusammenfassung näher erläutert werden. Sie soll Menschen im Alter anregen, über ihre eigenen Träume nachzudenken, die sie individuell auf ihren "Abmarsch" (C.G. Jung) vorbereiten wollen. Sie ersetzt hingegen nicht die Beschäftigung mit den eigenen Träumen, da diese in jedem Fall eine ganz spezifische Botschaft für jeden einzelnen Menschen enthalten.

 

 

1. Das Geheimnis im Leichnam

 

Diese Auseinandersetzung mit Todesträumen ist insofern von Bedeutung, als der westliche Christ äusserst hilflos vor dieser Frage steht (das folgende gemäss Traum und Tod, Kösel Verlag, München, 1984, S. 11f., 24f. (im folg. abgekürzt als T&T)). Die katholische Kirche lehrt zwar die Unsterblichkeit der Seele und die Auferstehung des Körpers, über den Weg und das Ziel dieses Prozesses werden jedoch keine Angaben gemacht. Im Gegensatz dazu schildern die Träume einen empirischen (auf innerer Erfahrung) beruhenden Weg zu diesem Ziel. Dabei - dies sei jetzt schon gesagt - zeigen sie eindeutig, dass wir nicht in unserem gegenwärtigen Körper weiterleben werden, sondern dass unsere Aufgabe darin besteht, schon in diesem Leben durch einen aktiven introvertierten Prozess am Aufbau des Körpers für das Leben nach dem Tod zu arbeiten.

Dieser Prozess besteht gemäss der Aussage vieler Träume darin, den "Diamantkörper" (Hauchkörper, subtle body) für das Nachtodleben in einer unten noch näher zu spezifizierenden Art und Weise aus dem physischen Körper zu extrahieren. Marie-Louise von Franz meint daher (T&T, S. 39): "Die Auferstehung ist [gemäss den Trauminhalten; RFR] nicht eine einfache Wiederbelebung des toten Körpers, sondern eine totale Wiedererzeugung, welche jedoch am Ort des alten Leibes ihren Ausgang nimmt." Ein Beispiel eines solchen äusserst eindrücklichen Traumes habe ich in Der Traum der Sozialarbeiterin dargestellt.

Einige Träume älterer Menschen greifen eine alte Idee des Kirchenvaters Origenes (185 bis 243 n.Chr.) auf, für die er im Jahr 553 zum Häretiker (Ketzer) erklärt wurde (zum folg. s. T&T, S. 27f.). Er lehrte, dass in unserem physischen Körper eine Art Samen oder Keim enthalten sei, aus welchem ein Auferstehungsleib für das jenseitige Leben entstehe. Dieser Leib - und hier ist die eigentliche ketzerische Idee - ist göttlich. Er ist unsichtbar und unfassbar für unsere fünf Sinne.

Origenes lebte in Ägypten, und für den alten Ägypter war der Leichnam ein Mysterium, aus welchem nach einer Auflösungs- und Wandlungsphase der Auferstehungsprozess begann. Für Origenes war dieser daher wie ein Saatbeet (seminarium), aus dem der Auferstehungsleib hervorwuchs. Schon hier findet sich somit der Zusammenhang mit dem Motiv der Vegetation, welches in den Träumen über das Leben nach dem Tod ebenfalls eine zentrale Rolle spielt.

Ohne von diesen Theorien des Origenes zu wissen, träumte ein Klient von mir folgenden Traum:

Traum von Merlin im verwunschenen Schloss:

Ich bin in einem verwunschenen mittelalterlichen Schloss. Von allen Seiten werden Blitze auf mich geschleudert, die meinen Körper treffen und sehr schmerzen. Eine alte Frau führt mich nun zum Gebieter des Schlosses. Ich weiss im Traum, dass es der Zauberer Merlin ist.

Wir kommen zur Türe seines Zimmers hinein. Links neben dieser Türe liegt dieser Zauberer Merlin. Das Seltsame ist, dass er vorerst nur aus einem menschlichen Kopf besteht, sein Körper ist hingegen Erde, die wie in einem Frühlingsbeet durch vier Bretter gefasst ist. Dieses ist etwa so lang wie ein kleiner menschlicher Körper und ungefähr 1 m 10 breit.

Merlin schaut uns mit ganz seltsamen Augen an: Sie sind weit geöffnet, die Pupille ist jedoch ganz klein. Und nun wird die Erde zu Merlins Körper und dieser erhebt sich aus diesem "Frühlingsbeet". Merlin geht nun zu seinem Schreibtisch und setzt sich zusammengelegt in der "Embryostellung" darunter.

Unter diesem Pult geht nun von Merlin ein "Wetterleuchten" aus, welches man als aufblitzende "Erleuchtungen" des Raumes sieht. Diese Erleuchtungen Merlins bewirken, dass der Körper der alten Frau sich in nichts, in Luft auflöst. Ich sehe dies daran, dass ihre Kleider und ihr Hut zu Boden fallen und auf einem Haufen liegenbleiben.

Nun bin ich frei! Nun treffen mich keine vernichtenden Blitze mehr! Nun kann ich auch das Schloss verlassen, wenn ich will.

Später sehe ich dann die nun wieder auferstandene Frau von ferne. Sie ist verwandelt, ist nun ganz jung (spontane Assoz.: C.G. Jung!) und viel grösser als vorhin, doch ist sie auch ganz demütig geworden, und ich glaube, dass sie sich mir unterwerfen würde, wenn ich es wollte. Sie wollte mich nämlich vernichten, als sie mich zu Merlin brachte, doch musste sie einsehen, dass Merlin mir positiv gesinnt ist und mich vor ihrer Destruktivität schützt.

 

Beim christlichen Gnostiker Simon Magus, dem Gegenspieler des Apostels Simon Petrus, findet sich das Motiv des Lebensfeuers, welches alles Sichtbare und unsichtbare durchwaltet. (Zum folgenden s. auch Remo F. Roth: Die Gnosis des Simon Magus (Kap. 8 des Ms. Archetypische Psychosomatik). Dieses Feuer erzeugt sowohl die sichtbare als auch die unsichtbare Welt. Diese beiden Welten vergleicht er mit einem Baum, der alles Leben nährt. Die sichtbare Welt entspricht seinen Blättern, Zweigen und dem Stamm, welche am Ende des Lebens vom Feuer zerstört werden. Aber die Frucht dieses Baumes, welche der menschlichen Seele entspricht, wird nicht verbrannt sondern sie lebt ewig, sofern sie zuvor gereinigt und aus ihrer früheren Form befreit worden ist. Es ist also eine Arbeit in diesem Leben notwendig, um der Seele ein Leben im Jenseits zu verleihen. Dieses Motiv, welches auch in Träumen oft wiederkehrt, welche auf den Tod vorbereiten wollen, zeigt, dass unsere Psyche nicht damit einverstanden ist, dass einfach der Glaube an Jesus Christus zum ewigen Leben verhilft, wie die Kirche lehrt. Es ist im Gegensatz dazu eine innere Arbeit während diesem Erdenleben nötig, um eine individuelle Existenz im Jenseits aufzubauen.

Eine schwerkranke Frau wandte sich in einer tiefen seelischen Krise an mich (RFR). Da sie ihre Krankheit nicht mehr ertrug, wollte sie sich umbringen. Sie hatte sich als Mitglied der Sterbehilfe-Vereinigung EXIT bereits die dazu notwendige Medikamentenkombination besorgt. Vor ihrem Suizid wollte sie aber noch meinen Rat einholen. Eine Initialvision zeigte mir, dass diese Frau die Aufgabe hatte, mit Hilfe der von mir vorgeschlagenen Körperzentrierten Visualisierung (oder Symptom-Symbol-Transformation) ein neues Verhältnis zu ihrem kranken Körper zu bekommen. Als sie diesen Therapievorschlag annahm, hatte sie eine weitere Vision:

Ich sehe vor mir einen Apfelbaum. Die von mir aus gesehen linke Hälfte ist verdorrt oder verbrannt, die Früchte sind wurmstichig und faul. Hingegen lebt die rechte Hälfte. Sie trägt neue grüne Blätter und Äpfel.  

Die Frau ist Rechtshänderin. Da sich die menschlichen Nervenstränge im Hals kreuzen, hängt die rechte Seite des Baumes (die von ihr aus gesehen linke Hälfte) mit der linken Gehirnhälfte zusammen. Diese gilt aber als die denkende, intellektuelle, rationale Hälfte. Sie ist tot. Doch die linke Seite des Baumes - die rechte Gehirnhälfte, welche visuell (!) funktioniert - lebt und trägt die von Simon Magus erwähnten Früchte für das jenseitige Leben. Der Traum sagt also, dass diese Frau sich dem Aufbau des Hauchkörpers für das Leben nach dem Tod widmen muss. Dies tat sie dann auch und lebt heute ein sinnerfülltes Leben.

Nach der katholischen Auffassung werden nach dem Tod, im jüngsten Gericht, die Gegensätze von Gut und Böse geschieden: Die Guten kommen in den Himmel, die Bösen in die Hölle. Die Träume widersprechen dieser Auffassung (vgl. T&T, S. 42ff.). Sie entsprechen der alchemistischen Auffassung der Gegensatzvereinigung im Tod. Sie nehmen daher des öfteren das Motiv des altägyptischen Mythos der feindlichen Brüder Seth (der Böse) und Osiris (der Gute) auf. Seth sperrt den lebenden Osiris in einen Bleisarg oder er zerstückelt ihn. Doch eben diese Beschränkung, dieses Ausgeliefertsein bewirkt eine Neuschöpfung. Marie-Louise von Franz fragt sich dann, ob nicht die Tragödie vieler heutiger alter Menschen, welche unter der Tyrannei von Heimleitern und Pflegepersonal von Altersheimen leiden, auf diesem Hintergrund gesehen werden sollte: Dass wir nämlich eingesperrt werden und uns ausliefern müssen, damit das Wachstum des Hauchkörpers für das Leben nach dem Tod umso schneller geschehen kann.

 

2. Motive der Vegetation: Baum, Korn, Blume

Ein weiteres verbreitetes Motiv für das Leben nach dem Tod stellt die Vegetation dar (vgl. dazu T&T, S. 47, 63). Dies ist an und für sich verständlich, da alle Vegetation ihr Leben direkt aus der sogenannt "toten" anorganischen Materie bezieht, aus Licht, Luft, Erde und Wasser. Sie ist daher ein besonders passendes Symbol für das Wunder, dass aus der Leiche des Menschen, welche ja ebenfalls nur noch anorganische Materie enthält, neues jenseitiges Leben erblüht.

Neben dem Weizenkorn, welches stirbt oder in die Erde gelegt wird um anschliessend daraus wieder zu erstehen, ist der Baum eines der häufigsten Symbole für diese Auferstehung. Gemäss der germanischen Sage kommen die Menschen sogar aus Bäumen und verschwinden im Tod wieder darin. Da der Baum langsam aber stetig wächst (und unbeweglich am selben Ort verharrt wie Osiris im Bleisarg; RFR) kann er gemäss C.G. Jung als ein Symbol des von ihm so genannten Individuationsprozesses angesehen werden. Gemäss meiner Erfahrung deutet dieses Symbol auch darauf hin, dass dieser Prozess ganz wesentlich über eine neuartige Erfahrung des vegetativen Nervensystem geht, einen Prozess den ich Körperzentrierte Imagination oder Symptom-Symbol-Transformation genannt habe. Ein eindrückliches Beispiel, wie das Unbewusste in der zweiten Lebenshälfte an die Notwendigkeit der Beschäftigung mit dieser Aufgabe ermahnt, findet sich in meinem Beitrag Der Traum vom UFO im Urlaub. Hier wird das Baummotiv interessanterweise mit jenem des UFOs verbunden, was zeigt, dass die heute konstellierte UFO-Problematik eben auf die Notwendigkeit des Aufbaus des Hauchkörpers aus dem vegetativen Nervensystem hinweist. Dies ist auch einer der Gründe, warum in den letzten Jahren der buddhistische und hinduistische Tantrismus im Westen derart an Bedeutung gewonnen hat.

Vor Jahren begegnete ich einem jungen, äusserst sensiblen Mann, der sich über die Spritze mit dem HI-Virus angesteckt hatte. Er hatte nur noch wenige Wochen zu leben. Kurz vor seinem Tod malte er das folgende Bild:

 

 

Im Hintergrund ist sein Heimatdorf zu sehen, im Vordergrund ein Weiher mit einem Schilfbestand. Er sieht sich sowohl als der abgebrochene Halm, als auch als der grosse rot-blaue Schilfhalm. Sein Erdenleben ist zu Ende, doch das jenseitige beginnt. Weiter zeigt uns dieses Motiv einerseits die Beziehung des Nachtodlebens zum Kornmotiv, andererseits aber auch die Gegensatzvereinigung, die offensichtlich kurz vor seinem Tod stattfindet. Rot und Blau sind nämlich gegensätzliche Farben, sie sind im Schilf jedoch vereint. Die Transparenz des Bildes weist auf den hauchkörperartigen Aspekt des Lebens nach dem Tod hin.

Sowohl in der Alchemie als auch in den Jenseitsriten der alten Ägypter sind Blumen ein verbreitetes Bild für die postmortale Existenz und den Auferstehungskörper (vgl. T&T, S. 56ff.). Sie gehören zur ersten Stufe der Wiederbelebung des Toten, zur sogenannten vegetalischen Auferstehung.

Einer meiner Klienten, dessen Träume schon im 30. Lebensjahr darauf bestanden, dass er sich nun mit dem Aufbau des vegetativen Hauchkörpers beschäftigen sollte, träumte folgendes:

 

Traum von meinem neuen Namen:

"Ich habe meinen Namen vergessen. Das bringt mich an den Rand der Verzweiflung. Ich versuche mich zu erinnern, doch ohne Erfolg. Da erinnere ich mich, dass ich meinen Schweizerpass bei mir habe. Ich nehme ihn hervor und schaue meinen Namen nach. Ich heisse Blumenfeld [In "Wirklichkeit" heisst der Träumer ganz anders]. Ich schreibe diesen Namen auf einen Zettel, wodurch dieser zu einem wichtigen Dokument wird."

 

Der Schweizer Heilige Niklaus von Flüe, über den Marie-Louise von Franz das Buch Die Visionen des Niklaus von Flüe, Daimon Verlag, CH-Einsiedeln, 2. Aufl., 1980 geschrieben hat, sah in einer Vision eine Lilie aus seinem Munde hervorwachsen. Diese deutet sie als die anima candida (die weisse Seele), welche Niklausens Hauchkörper entspricht.

Die Visionsserie einer meiner Klientinnen mit Multipler Sklerose begann mit der folgenden Lilien-Vision:

 

Die erste Vision:

Ich sehe in ein Stück Tuch eine rot-gelb geflammte Lilie (Feuerlilie) hineingestickt.

 

Es zeigte sich, dass diese kranke Frau die Aufgabe hatte, in sich schon zu Lebzeiten den Hauchkörper aufzubauen. Die Lösung dieser Aufgabe führte zu einer Besserung der chronisch-progredienten MS. Im allgemeinen hat diese spezielle Form der MS eine sehr schlechte Prognose, und bis heute ist meines Wissens kein einziger Fall beschrieben worden, in welchem mit medizinischer Behandlung eine Besserung des Zustandes erreicht worden wäre. Eine ausführliche Beschreibung des Verlaufs findet sich in Multiple Sklerose und Symptom-Symbol-Transformation (Kapitel 1 bis 4 des Ms. Archetypische Psychosomatik).

 

 

3. Die Todeshochzeit

Die Alchemie war von einem Motiv beherrscht, welches C.G. Jung in seinem Spätwerk Mysterium Coniunctionis (Ges. Werke, Bd. 14/I und 14/II) ausgiebig erörtert: von dem so genannten Hierosgamos oder der coniunctio, der heiligen Hochzeit von Gott und Göttin. Dieses Motiv erscheint auch in Träumen und Visionen, die über ein Leben nach dem Tod berichten (zum folg. s. T&T, S. 67ff.). Jung selbst hatte ein solches Erlebnis nach seinem Herzinfarkt im Jahr 1944. Er beschreibt dieses in bewegenden Worten in seiner Autobiographie (ed. A. Jaffé) Erinnerungen, Träume, Gedanken (Walter Verlag, Olten, Freiburg i. Br., 1961, S. 297ff.). Dieses einschneidende Erlebnis dürfte ein wichtiger Anstoss zur Abfassung des obigen Werks Jungs gewesen sein, welches 12 Jahre später erschien.

Ganz wesentlich scheint mir (RFR) in diesen Visionen Jungs, dass darin die Sexualität in den göttlichen Bereich aufgenommen wird. Es lässt sich daher vermuten, dass das Erlebnis dieses Hierosgamos in entscheidendem Masse mit sexuellen Phantasien zu tun hat. Doch hat es das Christentum abgelehnt, diesen deifizierten Aspekt eines der zentralsten menschlichen Grundtriebes zu betrachten. Auf diesem Hintergrund der Verdrängung der sexuellen Phantasien ist es beispielsweise verständlich, dass der Dichter Andersen, der sein ganzes Leben lang jungfräulich blieb, auf dem Sterbebett die schlimmsten Obszönitäten von sich gegeben haben soll. Und auch in Bezug auf dieses ungelöste Problem zeigen die Träume, dass das Wissen des kollektiven Unbewussten nicht mit der christlichen "Lösung" der Verdrängung zufrieden ist, sondern uns Menschen - und vor allem uns Männer - in eindrücklicher Art und Weise darauf hinweisen will, dass eine Auferstehung und ein Überleben im Jenseits des öfteren nicht ohne die introvertierte Lösung des sexuellen Problems möglich ist.

Da mir die Bewusstwerdung dieses Problems äusserst dringend erscheint, will ich den Todestraum eines modernen Mannes hier erwähnen, den Marie-Louise von Franz S. 79 zitiert:

Ich bin mit meiner Frau in einer Kirche, um die Heiratszeremonie zu wiederholen; aber ich sitze dicht vor einer undurchdringlichen weissen Wand. Der Pfarrer (ein Mann, den ich als depressiv und konventionell beurteile [d.h. eine Schattenseite dieses Mannes, die er nicht realisiert hatte; RFR]) wollte gerade die Zeremonie beginnen, da stürzte eine junge, wunderschöne Zigeunerin in die Kirche, fesselte den Pfarrer und schleppte ihn weg. Mit flammenden Augen blickte sie zum Träumer hinüber und sagte: "Und mit Dir werde ich nun auch bald die Geduld verlieren!"

 

Drei Wochen später starb der Mann an einem Herzversagen. Er hatte es versäumt, sich diesem unkonventionellen, wilden Animaaspekt hinzugeben. Diese Hingabe hätte bedeutet - das folgende entspricht meiner Deutung (RFR) -, dass er sich mit seinen sexuellen Phantasien hätte beschäftigen müssen. Denn eben hinter diesen versteckt sich der göttliche Hierosgamos, welcher gemäss der Aussage der Träume zu einem individuellen Weiterleben nach dem physischen Tod gehört.

(RFR) Da dieser Archetypus des Mysterium Coniunctionis heute konstelliert scheint, das Christentum ihn aber seit 2'000 Jahren vehement abwehrt und verteufelt, suchen viele Menschen im hinduistischen oder buddhistischen Tantrismus nach einer Lösung. Doch erliegen sie derart auch wieder einem typisch westlichen Vorurteil: Sie sehen nicht, dass dieser Hierosgamos zwischen der weiblichen und der männlichen Gottheit vollzogen wird, und nicht zwischen gewöhnlichen Menschen. Diese verfallen daher einer von Jung so genannten Inflation (Grössenwahn), indem sie sich mit dem göttlichen Paar identifizieren. Ein modernes Beispiel einer solchen Inflation stellt der Bericht von Maggie Tapert in der Zeitschrift SPUREN, Nr. 47/Frühling 98 dar, welche glaubt, als tantristische Göttin mit Männergöttern zu schlafen (lies vögeln). Längerfristig wird ihr, da der individuelle Aspekt der Beziehung in diesen "Harem-Situationen" infolge der Identifikation mit der tantrischen Göttin der Sexualität, völlig zu kurz kommt, dieses typisch westlich-konkretistische Ausleben der Identifikation mit der Göttin kaum gut bekommen...!

(RFR) In der Sprache der Psychologie C.G. Jungs beschreibt die Hochzeitssymbolik des hierosgamos oder der coniunctio den Prozess, den er die Anima-Integration des Mannes und die Animus-Integration der Frau genannt hat. Es wäre eigentlich die Aufgabe seiner Nachfolger, der Jungianer, diesen spezifischen Individuationsweg zu gehen. Es zeigt sich heute jedoch immer mehr, dass der Gott Animus und die Göttin Anima die Krux der Jungschen Psychologie darstellen. Seit dem Tod ihres Begründers hat sich bei den Jungianerinnen und Jungianern die empirisch erlebbare Beziehung zu diesen Göttern, die „Wirklichkeit der Seele" (C.G. Jung), leider zu einem intellektuellen Nebel verflüchtigt. Da ihnen meist die empirische Erfahrung einer Beziehung zu diesen gegengeschlechtlichen Figuren fehlt, wird dieses Manko mit Hilfe eines phantastischen Wortschwalls übertüncht. Eben dieser wurde aber von den alten Alchemisten als imaginatio phantastica gebrandmarkt. Mit empirisch erfahrener Psychologie hat diese „Unwirklichkeit der Seele" daher nichts mehr zu tun.

[Anmerkung vom 9.4.2005:

 

Ich unterscheide heute zwischen Jungs Anima, der Geist-Seele des Mannes, beziehungsweise dem Animus, der Geist-Seele der Frau, die beide zwischen dem Ich und dem kollektiven Unbewussten vermitteln, und dem tieferen Prinzip der Weltseele, die insgeheim eins ist mit der Körper-Seele

 

Die Integration der Anima beziehungsweise des Animus, besteht in meiner Sichtweise daher in der Aufgabe, sich mit dem kollektiven Unbewussten und dessen Zentrum, dem Logos-Selbst, in Verbindung zu setzen.

 

Sowohl die Weltseele als auch die Körper-Seele gehören jedoch zum Prinzip des Eros-Selbst, das ich als zum Jung'schen Logos-Selbst komplementär definiere. Die Weltseele bedeutet eine eigentliche Seele des Universums, die bei der Geburt der Naturwissenschaft infolge von deren Mathematisierung überflüssig und daher verdrängt wurde.  Ähnliches gilt für die Körper-Seele, die nur introvertiert und in sehr intensiv physisch erlebten Bildern erfahrbar ist, sich daher ebenfalls einer Mathematisierung und statistischen Beschreibung widersetzt. Beide sind deshalb sowohl verschieden von Jungs Anima und Animus als auch von der physikalischen Energetik der Materie. 

 

Logos-Selbst und Eros-Selbst vereinigen sich, alchemistisch ausgedrückt, in der göttlichen coniunctio, woraus bei Robert Fludd der infans solaris gezeugt und geboren, bei Gerardus Dorneus die rote Tinktur extrahiert wird. Weitere Ausführungen dazu in Pauli-Jung-Briefwechsel, Kapitel 2 und folgende, sowie The Archetype of the Holy Wedding.]

In meinem Artikel Das UFO trägst du in deinem Bauch (in: Johannes Fiebag, Besucher aus dem Nichts, UFO-Entführte berichten, Knaur TB Nr. 77389, München 1998) habe ich gezeigt, dass dieser zu erlösende Aspekt im individuellen physischen Körper steckt und als Körperseele daraus befreit werden muss. Eben diesem Zweck dient aber die von mir eingeführte Imaginationstechnik. Neben der Gesunderhaltung und Heilung des Körpers dient sie daher auch dem Aufbau des Hauchkörpers für das Leben nach dem Tod. Dass die imaginatio diese Doppelaufgabe darstellt, hat übrigens schon Paracelsus in seinem Werk De vita longa gesehen (näheres s. in meinem Buch Hat AIDS einen Sinn?, IKOS-Verlag, Maur-Zürich, 1994, Buchbestellung: http://www.libroplus.ch/ikos/ikos-4.htm).

C.G. Jung erlebte in seinem in seinen Grundstrukturen eigenhändig erbauten, runden (!) Turm am Zürichsee manchmal eine Einheit mit der Natur, die er wie folgt beschreibt:

»Zuzeiten bin ich wie ausgebreitet in die Landschaft und in die Dinge und lebe selber in jedem Baum, im Plätschern der Wellen, in den Wolken, den Tieren, die kommen und gehen, und in den Dingen ... hier ist Raum für das raumlose Reich des Hintergrunds.« (Erinnerungen..., S. 229). 

Auch dieses Motiv des Aufgehens des Individuums in eine All-Einheit kommt in Träumen vor, die uns auf das Leben nach dem Tod vorbereiten wollen. Marie-Louise von Franz nennt diesen Prozess "das Einswerden mit der Seele des Alls, der anima mundi im Schoss der Natur." Meine bisherige persönliche Erfahrung zeigt mir, dass die Vorbereitung auf diesen glückseligen Zustand im Jenseits die Befreiung der Körperseele aus dem physischen Körper darstellt, welcher Prozess beispielsweise in meinem Beitrag über die Körperzentrierte Imagination näher erläutert ist. Denn in geheimnisvoller Art und Weise scheinen die makrokosmische Weltseele (anima mundi) und die mikrokosmische Körperseele (ich nenne sie auch die "Innenansicht des Körpers") eins zu sein. Durch die Erlösung der Körperseele scheint daher auch die Weltseele erlöst zu werden, was dazu führt, dass man im Jenseits mit dieser verschmilzt.

Ein Traum eines Mannes, der den von mir vorgeschlagenen Prozess der körperzentrierten Imagination schon seit mehreren Jahren übt, möge dieses Phänomen beleuchten:

Traum von der "subtilen Berglandschaft" am Meer:

Ich schwimme ins Meer hinaus. Irgendwann einmal drehe ich um und schwimme wieder zurück an Land. Zu meinem grössten Erstaunen sehe ich nun hinter dem Ufer eine wunderschöne, tief ergreifende Landschaft: Links sind Berge (ähnlich wie jene taoistischen, die ich in einem Buch über taoistische Malerei gesehen habe). Sie sind - und diese Einsicht erlebe ich im Traum als einen numinosen Augenblick - aus einer "subtilen Materie", fast durchsichtig geformt. Ich weiss im Traum, dass sie eine "Hauchkörper-Konsistenz" besitzen. 

Der Traum besagt, dass der Träumer durch die Arbeit mit Hilfe der Imaginationstechnik in eine Reinigungsphase hineingekommen ist (Bad im Meer!). Tantristisch ausgedrückt hat er durch seine mehrjährige imaginatio - und nicht etwa durch irgendwelche magische "tantrische" Prozeduren - das svadhisthana, das wässerige zweite Chakra im Unterbauch geöffnet (vgl. dazu Neo-Tantrismus und Körperzentrierte Imagination). Dieser Fortschritt im introvertierten (mikrokosmischen) Prozess scheint eine Entsprechung im Makrokosmos zu besitzen, indem auch die ihn umgebende Landschaft die subtile Konsistenz des Hauchkörpers erhält.

 

 

4. Der dunkle Geburtsweg 

  

Da die Träume das jenseitige Leben als eine geschlechtliche Vereinigung im Sinne einer "heiligen Hochzeit" schildern, ist es eigentlich äusserst folgerichtig, dass auch das Motiv der Geburt eine Rolle spielt (zum folg. s. T&T, S. 84ff.). Schwangerschaft, Ausbrüten und Geburt sind auch Leitmotive der Alchemie, was darauf hinweist, dass die Jenseits-Träume des öfteren Motive des alchemistischen Opus (des Werks) aufnehmen. Speziell beim Paracelsus-Schüler Gerhard Dorn wird die Körperseele durch Bebrüten aus der Körpermaterie befreit.

In einer modernen Sprache nennen wir diesen Prozess den Aufbau des Hauchkörpers aus der Körpermaterie und die von mir (RFR) vorgeschlagene körperzentrierte Imagination dient genau diesem Zweck. Solche Botschaften des Wissens des Unbewussten wollen uns des öfteren also sagen, dass die Träumerin oder der Träumer vor dem Tod die Aufgabe des Aufbaus des subtle body hat. Leider wird diese Botschaft heute noch allzu häufig nicht oder falsch verstanden. Die Betroffenen vergessen vielleicht den Traum und wenden sich sogenannten "tantrischen" Ritualen zu. Derart wird aber die eigentliche Aufgabe, nämlich der introvertierte und individuelle Aufbau des Hauchkörpers vernachlässigt (vgl. dazu Bilder aus dem Bauch: Tantrismus und alternative Psychosomatik).

 

 

5. Der Tod als der unheimliche oder hilfreiche "Andere"

 

In Träumen von Menschen der zweiten Lebenshälfte, die sich der Beschäftigung mit dem Tod und dem Jenseits verweigern, tritt dieser Tod des öfteren als Einbrecher oder unheimlicher "Anderer" auf (vgl. T&T, S. 98ff.). Da der "Einbruch der Inhalte des kollektiven Unbewussten" nicht bewusst akzeptiert wird, passiert er in der Traumwelt.

Dieser unheimliche "Andere" ist des öfteren auch als Wolf oder Hund dargestellt. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist ein Traum, den C.G. Jung uns hinterlassen hat (Erinnerungen, Träume, Gedanken, S. 316). Jung war mit dem Fahrrad in Oberitalien im Urlaub. Da träumte er: 

"Ich befand mich in einem finsteren Wald;...es war eine heroische, urweltliche Landschaft. Mit einem Male hörte ich ein gellendes Pfeifen...die Knie wurden mir weich vor Schrecken. Da krachte es im Gebüsch und ein riesiger Wolfshund mit furchtbarem Rachen brach heraus...Er schoss an mir vorbei, und ich wusste: jetzt hat der Wilde Jäger [Wotan; RFR] ihm befohlen, einen Menschen zu apportieren..." Am nächsten Morgen erhielt ich die Nachricht vom Tode meiner Mutter. 

Auch in der Mythologie hat der Hund des öfteren mit dem Tod und der Auferstehung zu tun. Der ägyptische Gott Anubis, der mit dem Kopf eines Schakals dargestellt wird, ist der eigentliche Bringer der Auferstehung. Bei den Azteken bringt der Hundgott Xolotl die Toten im Jenseits ins Leben zurück. Shiva, der Gott der Zerstörung im Hinduismus, heisst "Herr der Hunde", usw.

Die obigen Amplifikationen zeigen, dass der Tod in Träumen auch als hilfreiches Wesen erscheinen kann. Wenn ein Mensch sich mit der Problematik des individuellen Erlebens des Todes auseinandergesetzt hat, ist es viel wahrscheinlicher, dass dieser ihm als ein Helfer erscheint. Ein häufiges Motiv ist zudem das Erscheinen eines bereits verstorbenen Verwandten oder Ehepartners im Traum oder in einer Vision, welche den Todgeweihten abholen.

Doch solche Träume können schon viel früher auftauchen. Ich (RFR) will dazu ein Beispiel aus meiner eigenen Praxis zitieren:

Traum einer ungefähr fünfundvierzigjährigen Frau von ihrem Taufpaten im Hauchkörper im Jenseits:

Ich habe irgendwo eine Wohnung gemietet, die ich aber im Moment nicht benütze.

Assoz.: Ich beschäftige mich im Moment mit dem Deutschen Requiem von Johannes Brahms. Dabei geht mir immer wieder die Melodie "Wie lieblich sind Deine Wohnungen, Herr Zebaoth!" durch den Kopf. [Anmerkung v. RFR: Diese Wohnungen sind ein Symbol für das Leben im Jenseits.]

Ich öffne die Haustüre mit einem Passepartout (Generalschlüssel!). In der Wohnung ist jemand und ruft mich mit meinem Namen: "Elisa!". Ich drehe mich um und sehe, dass es mein vor eineinhalb Jahren verstorbener Taufpate ist. Ich sehe ihm ins Gesicht; es ist völlig verklärt und glücklich. Dann sehe ich mir seinen Körper an; dieser ist anders als der eines Lebenden, nämlich leicht verschwommen, oszillierend auch, und durchsichtig (transparent). (Assoz.: So sieht vielleicht der Hauchkörper aus.) [Bem. v. RFR: Die Ähnlichkeit mit der Beschreibung von UFOs ist frappant!]

Dies ist für mich im und nach dem Traum ein numinoses Erlebnis, das man kaum in Worte fassen kann. Vielleicht erleben die Mystiker in der mystischen Ekstase solche Gefühle und Körperempfindungen.

Mein Pate weiss nicht so recht, was er mir sagen soll. Auch ich bin etwas gehemmt, weil ich irgendwo gelesen habe, dass man den Toten nicht zu nahe kommen sollte.

Ich spüre beim Erwachen eine intensive Wärme im Rücken auf der Höhe des Herzens. Später sagt mir Remo Roth, dass sich während dieses Erlebnisses wahrscheinlich mein anahata-Chakra in der Herzgegend geöffnet habe.

Der Traum bestätigt die Idee, dass geliebte Menschen uns in die andere Welt abholen werden. Die Träumerin scheint jedoch noch nicht unmittelbar vor dem Tod zu stehen, daher die Notwendigkeit der bewussten Distanz zu ihrem Taufpaten. Doch zeigt der Traum über das Erlebnis von dessem Hauchkörper (im Schweizerdeutschen "Götti" = "kleiner Gott" genannt, im Englischen "godfather" = Gott), dass es sich hier um die Aufgabe des Aufbaues des deifizierten Hauchkörpers für das Leben nach dem Tod handelt. Eben dieser Aufgabe hat sie sich dann gestellt - und sie lebt auch 20 Jahre nach diesem Traum noch.

 

6. Der Durchgang durch Feuer und Wasser

 

Wir sind dem Motiv des zerstörenden Feuers am Anfang schon begegnet, bei Simon Magus' Lebensbaum, dessen Frucht gerettet werden muss. Dieses das vegetative Leben zerstörende Feuer ist ein recht häufiges Motiv in Träumen, die auf das jenseitige Leben vorbereiten wollen. Mir (RFR) scheint, dass solche Träume von der "Zerstörung" der einseitigen naturwissenschaftlichen Auffassung des vegetativen Nervensystems (welches in Träumen oft als Vegetation, d.h. eben als Baum oder Wald dargestellt ist) sprechen. Der Tantriker würde sagen, dass der sthula-Aspekt (grobstofflich) des vegetativen NS in dessen suksma-Aspekt (feinstofflich, subtil, s. ob. Traum vom Taufpaten) transformiert werden muss. Ich habe zudem gute Gründe anzunehmen, dass die UFO-Problematik mit diesem Aspekt der Herstellung des subtle body in diesem Leben zu tun haben könnte. Ein Beispiel, welches in diese Richtung zeigt, stellt Der Traum vom UFO im Urlaub dar. Ein weiteres findet sich in Das UFO, die Radioaktivität und die Synchronizität.

In beiden Träumen ist das Symbol des Wassers ein ganz wichtiges Motiv. Ein im Zustand des abaissement du niveau mental (Pierre Janet; ich bezeichne diesen Zustand heute als das Eros-Bewusstsein) gemaltes Bild eines ungefähr dreissigjährigen Mannes, der insofern eine "mikrokosmische Apokalypse" erlebte, als sein ganzer beruflicher und privater Lebensplan zusammengebrochen war (Arbeitslosigkeit, Scheidung), soll den Tatbestand aufzeigen, dass wir Individuationsträume, d.h. Träume, die zu einer drastischen Wandlung des Bewusstseins aufrufen, und Todesträume, die vom jenseitigen Leben sprechen, von ihren Motiven her nicht unterscheiden können. Beide enthalten ähnliche Symbole. Eines davon ist der Durchgang durch das Wasser.

Die rote Fläche stellt gemäss den Aussagen des Malers das Rote Meer dar. Weiter sagte er mir, dass er - obwohl er mir rational nicht erklären könne, was dies bedeuten könnte - instinktiv fühle, dass er im Laufe seines Lebens dieses noch durchqueren müsse, um die Berge (gemäss C.G. Jung ein Symbol des Selbst, des innerlich erfahrenen Gottesbildes) und den bewölkten Himmel im Hintergrund (ein Symbol der luftartigen blauen Flüssigkeit; vgl. unten) zu erreichen.

Um dieses archetypische Geschehen verstehen zu können, müssen wir kurz in die Alchemie zurückblenden. Gewisse Alchemisten, so u.a. der Paracelsus-Schüler Gerardus Dorneus, betrachteten die Herstellung des lapis, des Steins oder des Goldes, noch nicht als das eigentliche Ziel des Opus (ihres Werks). Sie fügten daher noch eine Stufe an, eben die Extraktion der roten Tinktur. Die obige Durchquerung des roten Meeres stellt ein Synonym der Extraktion der roten Tinktur aus dem Stein dar. Beide symbolisieren den Aufbau des subtle body (link1, link2), des Hauchhörpers. Dieser wiederum dient der vita longa des Paracelcus, einem Doppelprozess, der einerseits Gesundheit und langes diesseitiges Leben, andererseits aber auch das individuelle Leben im Jenseits garantiert. 

[vgl. zur ganzen Thematik und deren Zusammenhang mit meiner Körperzentrierten Visualisierung bzw. Symptom-Symbol-Transformation auch meine Bemerkungen in Werner Zurfluhs Kristallisierende Wassertropfen, Teil 4/I sowie The New Mysticism and the Life after Death, part 2 ]

Die Sonne links entspricht dem "sol niger" der Alchemie, d.h. einer im Wasser oder in der Erde verschwundene Sonne. Sie deutet darauf hin, dass dem Maler dieses Bildes auch in Zukunft ein Prozess des abaissement du niveau mental bevorsteht - eine "Verdunkelung des Gehirns", wie die Alchemisten sagen - , der dem Zweck dient, das von mir postulierte Eros-Bewusstsein aufzubauen. Das Siegel Salomos rechts weist auf das anahata, das Herz-Chakra der Tantristen hin [vgl. dazu Die Chakras des Tantrismus (Abschnitt 5.3 des Buches Die Gottsucher) ].

Das seltsamste Motiv ist die Schlange am Kreuz. Der Maler ist Katholik und kennt die Symbolik von Christus am Kreuz. Das "absolute Wissen" (C.G. Jung) des Unbewussten ersetzt ihm dieses nun durch die Schlange! Diese symbolisiert den Prozess der Erweckung der tantristischen Kundalini-Schlange, die hier aber am Kreuz, das heisst, am zentralen Symbol des Christentums hängt. Wir können daraus schliessen, dass der Maler nicht einfach die Methodik des tantrischen Prozesses übernehmen kann, sondern dass er vor der Aufgabe steht, Tantrismus und Christentum in einer neuartigen Art und Weise zu vereinigen.

Das Motiv des Durchgangs durch das Wasser gehört zur Auferstehung und Wiedergeburt (Belege s. T&T, S. 118f.) und zum ägyptischen Unterweltgott Osiris. Zudem werden Feuer und Wasser manchmal gleichgesetzt. Auch dieses Motiv kennen wir aus der ägyptischen Mythologie, es erscheint aber auch in der Alchemie des Spätmittelalters. Speziell interessant ist der Prozess der Herstellung einer luftartigen blauen Flüssigkeit beim Paracelsusschüler Gerhard Dorn, welche dem deifizierten Hauchkörper zu entsprechen scheint (zum fol. s. Das Radbild des Niklaus von Flüe als Symbol des Aufbaus des Hauchkörpers). Er schlägt eine Fortsetzung des alchemistischen Opus vor, das mit der sogenannten unio mentalis beginnen soll. Diese stellt eine Vereinigung von Geist und Psyche, modern ausgedrückt: von Logos und Eros, dar. Um diese Vereinigung zu erreichen, muss der Körper vorerst aber »abgetötet« oder »mumifiziert« werden. In unserer psychologischen Sprache würden wir diesen Sachverhalt folgendermassen ausdrücken: Der von der Triebhaftigkeit und Getriebenheit bewegte Körper muss in einem bewussten Akt stillgelegt werden - eine Forderung, die jeder ernsthaften Art der Meditation und Imagination zugrundeliegt. C.G. Jung hat mit seiner Methode der Aktiven Imagination eine moderne Variante der Dornschen unio mentalis gefunden.

In einer zweiten Stufe des Dornschen Opus, in der sogenannten unio corporalis, soll dann die Vereinigung dieser unio mentalis mit dem vorher »abgetöteten« Körper erreicht werden. Als Folge dieser Prozedur wird der tote Körper wiederbelebt, und es findet ein sogenannter Austausch der Attribute statt: Der Körper wird psychisch, die Geist-Psyche wird materiell. Wenn der Mensch in diesem Erdenleben diesen Prozess bewusst vollzieht, baut er den Hauchkörper für das Leben nach dem Tod auf. Und erst derart scheint ein individuelles Leben im Jenseits möglich.

Eine moderne Umsetzung dieser Idee der unio corporalis des Arztes Gerhard Dorn (Dorneus) stellt die von mir inaugurierte Körperzentrierte Imagination oder Symptom-Symbol-Transformation dar.

 

 

7. Die "Bearbeitung" des alten Körpers

 

Wie ich erwähnt habe, hat Marie-Louise von Franz gesehen, dass sich Individuations- und Todesträume inhaltlich nicht voneinander unterscheiden lassen. Der oben kurz beschriebene Imaginationsprozess, den die Alchemie unio corporalis genannt hat, erscheint daher sowohl in Träumen, die eine unerledigte Aufgabe in diesem Leben beschreiben (Individuation), als auch in jenen, die vom Leben im Jenseits sprechen. Daraus lässt sich der Schluss ableiten (RFR), dass Menschen, die diese Aufgabe in diesem Leben nicht bewältigen und daher zu früh sterben, im Jenseits mit derselben Aufgabe konfrontiert sind.

Dies soll ein Traum eines ungefähr fünfzigjährigen Klienten illustrieren. Da er, soweit ich dies beurteilen kann, an seiner Individuation mit voller Kraft arbeitet, nehme ich den Traum objektstufig, das heisst, als Aussage des Wissens des Unbewussten über den toten Vater und nicht als Aussage über eine noch zu lösende Aufgabe des Sohnes. 

Traum vom Graalskönig-Grab des Vaters:

Mein Vater ist gestorben [wie in Wirklichkeit ungefähr ein Jahr vor diesem Traum; RFR]. In einer modernen Kirche - etwa wie jene von Ronchamps - wurde für ihn ein Grabmal errichtet. Es ist sehr gross und zeigt derart die Wertschätzung dieser Kirche für ihn. Vorn drauf ist ein Relief meines Vaters. Es zeigt ihn, ähnlich wie bei Ritter- oder Bischofsgräbern in gewissen Kirchen, mit dem ganzen Körper. Auf der linken Seite seines Körpers fährt ein Schwert hinunter, welches seine linke Hüfte durchbohrt. 

Im Buch Die Graalslegende deuten Emma Jung und Marie-Louise von Franz das Motiv der durchbohrten Hüfte des Graalskönigs als das ungelöste sexuelle Problem, welches uns die Kirche hinterlassen hat. Weil sie die Sexualität und den Körper verteufelt und in keiner Art und Weise in den religiösen Ritus eingebaut hat (wie beispielsweise der Tantrismus), ist der heutige Mensch nicht in der Lage, den spirituellen Aspekt der Sexualität zu sehen und zu leben. Dieses Problem hatte der Vater meines Analysanden, doch er konnte es in diesem Leben nicht lösen. So scheint er denn im Jenseits diese Aufgabe anpacken müssen. Diese Deutung wird bestätigt durch einen anderen Traum desselben Mannes über seinen Vater: Er träumte, dass dieser im Jenseits nun mit C.G. Jung eine Analyse begonnen hatte...!

Ebenso scheinen die Träume, die Marie-Louise beibringt (vgl. T&T, S. 124ff.), davon zu sprechen, dass die Verstorbenen vor einer Aufgabe stehen, die in irgend einer Art und Weise mit dem Körper zu tun hat. Denn bevor nach dem Tod die Seele sich mit dem Körper wiedervereinigen kann, muss dieser präpariert (wie im ägyptischen Totenritual), zerstückelt und neu zusammengesetzt oder ein hauchartiger und deifizierter (vergöttlichter!) Seelenkörper daraus extrahiert werden. Diese Wiedervereinigung der Seele mit dieser Körperessenz gleicht dabei dem von Gerhard Dorn beschriebenen Prozess der unio corporalis. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass Dorn verlangt, dass die unio corporalis in diesem Leben zu erfolgen hat. Wenn wir diese Forderung ernst nehmen, kann man (RFR) schliessen, dass die von Marie-Louise von Franz zitierten Todesträume auch auf einen Prozess hinweisen, den die betreffenden Menschen in diesem Leben versäumt haben. Daher holt er sie in Todesnähe dann ein.

Wir tun also gut daran, schon in relativ jungen Jahren Träume ernst zu nehmen, die vom Aufbau eines Hauchkörpers sprechen. Paracelsus hat die Ansicht vertreten, dass wir durch diese Arbeit die vita longa (das lange Leben) erreichen. Wie wir gesehen haben, besteht diese einerseits in einer Gesunderhaltung des Körpers und damit in einem langen Leben im Diesseits, aber auch in einem ewigen Leben im Jenseits. Entscheidend an dieser Aussage ist jedoch, dass die Arbeit im Diesseits zu geschehen hat.

Mir persönlich scheint, dass im beginnenden 21. Jahrhundert eben dieser Prozess konstelliert ist. Mit dieser Notwendigkeit des Aufbaus des Hauchkörpers für das Leben nach dem Tod dürfte auch das UFO-Phänomen zu tun haben. Daher rühren vielleicht die vielen Übereinstimmungen zwischen letzteren und den Hauchkörper-Phänomenen. Da ich davon überzeugt bin, dass immer mehr Menschen von diesen Vorgängen betroffen sind und mehr über diese "letzten Dinge" wissen sollten, habe ich mir mit PSYCHOVISION die Aufgabe gestellt, diese von mir entdeckten Zusammenhänge auf einem neuartigen (übrigens äusserst introvertierten!) Medium einem breiteren Publikum zu unterbreiten.


zu diesem Thema siehe auch Die Neue Mystik und das Leben nach dem Tod und die erweiterte englische Version The New Mysticism and the Live after Death

vgl. auch Persönliche Erinnerungen an Marie-Louise von Franz 

Homepage Remo F. Roth

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18.11.2002