Remo F. Roth

Dr. oec. publ., Ph.D.

dipl. analyt. Psychologe (M.-L. v. Franz)

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© copyright 1996 by Remo F. Roth, Zürich, Switzerland

Bericht Nr. 3:

Der Traum vom Arzt, der mir nach dem Absturz in den Bergen eine neue Gebärmutter einpflanzt

 

Eine Frau, die schon mehrmals lebensgefährlichen Situationen ausgesetzt war, konsultiert mich mit dem folgenden

Traum:

Ich gehe mit Helen klettern. Sie geht voraus, ich hintendrein. Wir klettern einen steilen Fels hinauf. Plötzlich lasse ich los und falle rücklings hinunter, doch Helen klettert weiter. Ich falle sehr weit hinunter und sehe, dass ich unten auf dem Rücken liegenbleibe. Im Hinunterfallen sehe ich, dass mein Rumpf vorn voller Blut ist. Ich rufe meinem verstorbenen Vater: "Ich habe kalt, hole mir doch eine Decke." Mein Vater bringt mir dann auch eine solche Decke.

Nun kommt endlich ein Arzt. Er fährt auf einem offenen Wagen, auf diesem sind viele Stücke von rohem Fleisch. Ich erkenne plötzlich, dass es sich dabei um menschliche Organe handelt. Der Arzt sagt mir, er müsse mir ein neues Organ einpflanzen, da das alte verletzt sei.

Ich frage mich, welches Organ es sein könnte. Das Herz? Nein. Plötzlich sehe ich, dass es eine Gebärmutter ist.

Der Arzt beginnt diese Gebärmutter zu präparieren, um sie mir an Ort und Stelle einzupflanzen.

 

Assoziationen:

Helen: Sie kann gar nicht klettern! Akademikerin.

Gebärmutter: Ich hatte vor einigen Jahren Gebärmutterkrebs.

 

Deutung:

Die Erfahrung zeigt, dass der Beginn eines Traums sehr oft das aktuelle Problem zeigt. "Helen" steht für eine Haltung der Träumerin, die "zu hoch oben" ist. Sie ist denn auch insofern belastet, als ihre Familie sehr intellektuell ist. Obwohl die Träumerin schon zu weit in der dünnen Luft der Berge oben ist, will sie noch weiter hinauf. Sie besitzt somit eine gefährliche Tendenz, ihre Probleme mit Hilfe ihres Intellektes lösen zu wollen. Dies zeigt auch die Bitte an ihren verstorbenen Vater, die Kälte (der Intellekt wird meist als kalt beschrieben, z.B. ein kaltherziger Intellektueller!) mit Hilfe einer Decke zu lindern.

Die intellektuelle Lösung der Probleme versagt nun aber. Wenn die Träumerin nicht in einem bewussten Akt herunterkommt, wird ihr dies gewaltsam geschehen (Eine solche Situation kann sich auch ganz konkret durchsetzen, mit den entsprechenden Folgen!)

Die Träumerin fällt mit dem Rücken auf den Boden. Der Rücken ist jener Teil des Körpers, den wir nie direkt sehen können, er ist somit ein Symbol des Unbewussten, jenes Teils unserer Seele, welchen wir nicht kennen. Offensichtlich muss diese Frau einen Weg über das Unbewusste gehen, um wieder Boden unter den Füssen zu spüren.

Und nun kommt der Arzt. Dieser symbolisiert in Träumen meist den Körper beziehungsweise jenen Teil der Träumerin, welcher sich mit ihrem Körper und seinen "Gebresten" beschäftigt. Offensichtlich muss diese Frau also sowohl einen Weg durch das Unbewusste gehen, aber ebenso ihren Körper mit einbeziehen. Zusammengenommen heisst dies, dass sie sich mit ihrem "unbewussten Körper" und seinen dem Bewusstsein unbekannten "Gebresten" auseinandersetzen muss, um wieder auf den Boden der Realität zu kommen.

C.G. Jung hat gezeigt, dass das sogenannte Unbewusste über ein Bewusstsein verfügt, so paradox dies auch tönt. Dies zeigt sich beispielsweise in den seltsamen Zufällen, den sogenannten Synchronizitäten, deren sorgfältige Deutung regelmässig zeigt, dass in ihnen ein Wissen um die Zukunft der betreffenden Person versteckt ist. Wenn man diese sinnvollen Zufälle deuten kann, helfen sie uns, unser Leben neu auszurichten um die Fehler der Vergangenheit in Zukunft zu vermeiden und in ein sinnvolles Leben hineinzuwachsen.

Ebenso besitzt auch unser "unbewusster Körper" ein Bewusstsein. Er entspricht der von mir postulierten Körperseele, und sein Bewusstsein dem von mir so genannten Bauchgehirn, welches sich meist im Solarplexus befindet. Paracelsus hat dieses innere transformierende Zentrum den Archaeus oder den Alchemisten des Magens genannt.

Eine Beziehung zur Körperseele (dem "unbewussten Körper", dem "inneren Arzt") baut man mit der von mir postulierten Technik der Visualisierung auf. Der Traum zeigt also, dass für meine Klientin eine absolute Notwendigkeit besteht, sofort in diesen tiefenpsychologischen Visualisierungsprozess (Symptom-Symbol-Transformation) einzusteigen.

Der Ausflug in die intellektuellen Höhen und der darauf folgende Sturz in die Tiefe haben die Gebärmutter der Träumerin verletzt. Da sie bereits einmal an Gebärmutterkrebs litt, ist hier der Zusammenhang mit der konkreten Gefahr einer erneuten Erkrankung offensichtlich.

Die Gebärmutter symbolisiert für eine Frau jenes Organ, in welchem neues Leben gedeiht. Es ist daher der Ort, in welchem die Zukunft dieser Frau vorbereitet wird. Dieses zukünftige Leben scheint durch eine zu intellektuelle Einstellung verletzt worden zu sein. Sie ist daher in einer akuten Gefahr, die Weichen für ihre Zukunft falsch zu stellen.

Doch nun nimmt im Traum der Arzt eine Organtransplantation vor. Der Träumerin wird ein neues lebens- und zukunftsspendendes Organ geschenkt! Und dieses Geschenk kommt von ihrem "inneren Arzt", das heisst der Körperseele.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass die Träumerin eine Beziehung zu ihrer Körperseele aufnehmen sollte, und dass solche Visualisierungen (Symptom-Symbol-Transformationen) ihr helfen werden, die Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Lebens ohne lebensgefährliche Situationen und Krankheiten zu erhöhen. Daher hat Paracelsus diese Art des Umgangs mit dem Körper die "vita longa", das heisst das "lange Leben" genannt.