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Remo F. Roth
Dr. oec. publ., Ph.D.
dipl. analyt. Psychologe (M.-L. v. Franz)
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1997 und 2001
by Pro Litteris, Zürich
Rote
Tinktur
Das Radbild
des Niklaus von Flüe
als Symbol
des Aufbaus des Hauchkörpers
(subtle
body)
Skizzen einer zwanzigjährigen
Forschungsarbeit
Marie-Louise von Franz
zum 82. Geburtstag am 4. Januar
1997
gewidmet
1.
Einführung
2. Die Vision vom
erschreckenden Gottesantlitz und das Radbild
3. Das Siegel
Salomos und der Pelikan der Alchemie
4. Die
Energietransformation innerhalb des Radbildes
5. Das Radbild und
der Aufbau des Hauchkörpers (subtle body) im
Tantrismus
6. »Was die
Welt im Innersten zusammenhält«
1.
Einführung
Marie-Louise von Franz zeigt in ihrem
wegweisenden Buch Die Visionen des Niklaus von Flüe(1),
dass der in der mittelalterlichen Schweiz verwurzelte Bauer,
Politiker und Soldat »unter den Heiligen der katholischen Kirche
eine ganz einzigartige und ungemein originelle Erscheinung«(2)
darstellt. Die Abgeschiedenheit in den Schweizer Bergen trug
wesentlich dazu bei, dass seine Visionen lange Zeit dem höheren
Klerus verborgen blieben und daher nicht, wie jene der meisten in
Klöster lebenden Mystikerinnern und Mystiker, von
Beichtvätern und Vorgesetzten gereinigt wurden. Da die Visionen
dieses aussergewöhnlichen christlichen Mystikers derart
»den Stempel unkonventioneller Echtheit«(3) tragen, gelingt
Marie-Louise von Franz der folgenschwere Nachweis, dass in ihnen die
hinter dem Christentum latent vorhandene heidnische Welt der
germanischen Mythologie hervorbricht. Die Amplifikation der
Visionsmotive zeigt dann das überraschende Resultat, dass in
Niklaus von Flüe schon vor 500 Jahren der germanische Gott Wotan
und mit ihm das Synchronizitätsprinzip konstelliert
waren.
Auch C.G. Jung hat sich in einem kurzen
Artikel mit dem Schweizer Heiligen beschäftigt(4). Er meint,
dass Niklaus von Flüe, »der einzige hervorragende
schweizerische Mystiker von Gottes Gnaden, unorthodoxe Urvisionen
hatte und unbeirrten Auges in die Tiefen jener göttlichen Seele
blicken durfte, welche alle, durch Dogmatik getrennten Konfessionen
der Menschheit noch in einem symbolischen Archetypus vereinigt
enthält«(5).
In den folgenden Ausführungen werde ich
skizzieren, wie dieser »eine Archetypus«, der allen
Religionen unserer Welt zugrunde zu liegen scheint, symbolisch
gesehen durch das Radbild des Niklaus von Flüe (vgl. Abb. 1)
dargestellt wird. Dieses Radbild entspricht religionspsychologisch
gesehen einem erneuerten Gottesbild, in welchem die durch den
Menschen erlöste Weltseele - die objektive Psyche oder das
kollektive Unbewusste C.G. Jungs - und mit ihr das
Synchronizitätsprinzip an die Stelle des christlichen Gottes
treten. Die innere, mikrokosmische Befreiung und Erlösung der
göttlichen Weltseele aus der Materie erlebt der empirische
Mensch im Prozess der introvertierten Transformation der triebhaften
Energie, welche dem Aufbau des deifizierten Hauchkörpers
für das Leben nach dem Tod dient.
Abb.1: Das Radbild des Niklaus von
Flüe
2.
Die Vision vom erschreckenden Gottesantlitz und das
Radbild
Niklaus von Flüe wurde im Jahr 1417 in
Sachseln (in der Nähe von Luzern) geboren und starb
siebzigjährig im Jahr 1487. Er soll schon im Mutterleib Visionen
gehabt haben. Diese Visionsserie setzte sich während seines
irdischen Lebens fort und schliesst mit der sogenannten Vision vom
erschreckenden Gottesantlitz (vgl. Abb. 2). Diese letzte uns bekannte
Vision überfiel Niklaus von Flüe ungefähr zehn Jahre
vor seinem Tod. Gemäss dem Bericht des Humanisten Bovillus trug
es einen »fürchterlichen, von Zorn und Drohung
erfüllten Ausdruck«(6) und wurde daher schon früh mit
dem Christus der Apokalypse I, 13 in Verbindung gebracht(7). Es
trägt oben eine dreifache Krone und unten einen dreifach
geteilten Bart. Ebenso erschreckend wie der Gesichtsausdruck scheinen
sechs »Schwertklingen ohne Handgriff« zu sein, welche
abwechselnd in dieses Gesicht ein- und ausgehen: Eine dieser Klingen
geht aus der Stirn hervor und richtet sich nach oben, zwei weitere
stechen in die Augen (und Ohren?), die nächsten zwei gehen aus
der Nase hervor und die letzte durchsticht den Mund(8).
Abb. 2: Die Vision vom erschreckenden
Gottesantlitz
Wie schon C.G. Jung gesehen hat(9), ist diese
Vision völlig undogmatisch, ja sogar häretisch, denn der
Gott der Christen konnte und kann nur gut sein, da ihm der triebhafte
Aspekt, der Jahwe noch auszeichnet, von den Kirchenvätern
wegdefiniert wurde.
Wie ich in meinem Buch Die Gottsucher(10)
gezeigt habe, bezieht sich der häretische Charakter dieser
Vision jedoch nicht nur auf das summum bonum, sondern auch auf
die eindeutig doppeltriadische Struktur der Schwertklingen, die noch
betont wird durch die Doppeldrei von Krone und Bart, von Oben und
Unten!
Inhalte des kollektiven Unbewussten brechen
in einer derart erschreckenden Art und Weise in das Bewusstsein nur
ein, wenn dieses einen wichtigen Wandlungsaspekt noch nicht begriffen
hat. Psychologisch gesehen müssen wir an dieser Stelle daher
schliessen, dass Niklaus offensichtlich einen wesentlichen Inhalt,
nämlich das eigentliche Wesen des doppeltrinitarischen Aspektes
des in ihm konstellierten erneuerten Gottesbildes, welches in der
früheren Vision von der Lilie, die vom Pferd gefressen wurde
schon aufgetaucht war, noch nicht verstanden hat. Wir wissen denn
auch, dass er versuchte, die Doppeltrinität in die Trinität
der Kirchenväter umzudeuten(11). Wie C.G. Jung betont(12), blieb
ihm auch nichts anderes übrig, denn sonst wäre er als
Häretiker angesehen und entsprechend behandelt worden. Mir
persönlich scheint jedoch, dass Niklaus von Flüe über
die Bedeutung seines Radbildes viel mehr gewusst hat, als er
preisgab. Die Ahnung, dass er der Inquisition in die Hände
fallen könnte, erklärt vielleicht, warum er sich über
diese Vision weit mehr in Schweigen gehüllt hat, als über
die anderen Erscheinungen(13). Sein Schweigen nötigt uns daher,
das im Symbol des Radbildes implizit vorhandene Wissen über das
erneuerte Gottesbild mit Hilfe der Amplifikationsmethode C.G. Jungs
zu extrahieren.
Die drei nach innen gerichteten
Schwertklingen durchstechen den Mund und die Augen, vielleicht auch
die Ohren des Gottesantlitzes. Psychologisch gesehen bedeutet diese
Zerstörung der Sinnesorgane Gottes (!), dass das vor bewusste
Wissen des kollektiven Unbewussten Niklaus zeigen will, dass sich in
ihm das christlich-dogmatische Gottesbild gewandelt und erneuert hat:
Da die nach aussen gerichteten Sinnesorgane des Zentralnervensystems
zerstört sind, ist der erneuerte Gott offensichtlich nur
über das nach innen gerichtete vegetative Nervensystem
erfahrbar. Die Zerstörung der Sinnesorgane soll Niklaus
andererseits aber auch zeigen, dass er in seinen letzten Lebensjahren
eine Phase der tiefsten Introversion leben muss.
Niklaus von Flüe verarbeitet diese
Vision des erschreckenden Gottesantlitzes zu seinem berühmten
Radbild(14) (vgl. Abb. 1). Vergleicht man die ursprüngliche
Vision mit diesem Radbild(15), fällt als erstes auf, dass im
Schweizer Nationalheiligen eine ausgesprochene Tendenz bestanden zu
haben scheint, mit Hilfe des Radbildes vom menschenähnlich
gedachten göttlichen Antlitz zu abstrahieren und den als
anthropomorph (menschenähnlich) gedachten christlichen Gott
durch ein Konzept der Energietransformation zu ersetzen. Das Symbol
des Rades eignet sich wie kein anderes dazu, da dessen tiefste
Symbolik eben in dieser Energietransformation liegen dürfte.
Bereits hier zeigt sich offensichtlich, dass im Unbewussten des
Niklaus ein erneuertes Gottesbild konstelliert ist, dessen
wesentlichste Inhalte die Struktur einer Doppeltrinität und eine
darin stattfindende Energietransformation darstellen.
Eben dieses von aller
Menschenähnlichkeit abstrahierende energetische Gottesbild war
aber, wie ich in meinem schon erwähnten Buch Die
Gottsucher hergeleitet habe, auch in den christlichen Alchemisten
und im hinduistischen und buddhistischen Tantrismus konstelliert. Ich
habe dort weiter gezeigt, dass diese erneuerte Gottheit, welche
letztlich dem mittelalterlichen Begriff der Weltseele entspricht und
eine Kompensation zum trinitarischen Gott der Kirchenväter
darstellt, ungefähr 450 Jahre nach Niklaus in der Symbolik der
Quantenphysik, als sogenanntes Quark-Antiquark-Sextett wieder
auftaucht (vgl. dazu unten). Da diese die Grundlage der Atombombe und
der Atomkraftwerke bildet, entpuppt sich die Problematik des
mittelalterichen Mystikers somit also als eine äusserst
aktuelle.
Niklaus von Flüe bezeichnet die
»Schwertklingen« der Originalvision in seinem Radbild als
»Speichen«. Orientiert man sich mehr am Bild als am Wort,
so sieht man, dass er keine Speichen und auch keine Schwerter,
sondern ausgesprochene Lanzenspitzen (oder Schwertspitzen) gezeichnet
hat. Aus dieser Tatsache der je drei entgegengesetzten Lanzenspitzen
wird unmittelbar klar, dass Niklaus im Radbild, einem unbewussten
Drang folgend, den doppeltriadischen Aspekt der Zahl Sechs betont.
Durch die Betonung der Gegensätzlichkeit der beiden Triaden hat
er sich unbewusst aber endgültig vom Bild der christlichen
Trinität gelöst und diese in eine Doppeltrinität
erweitert. Struktural betrachtet entspricht diese natürlich dem
Siegel Salomos, dem Wahrzeichen der Alchemie (vgl. Abb. 3B), sowie
auch dem zentralen Symbol des Herz-Chakras des Tantrismus (s.
unten).
3.
Das Siegel Salomos und der Pelikan der Alchemie
Das Siegel Salomos (Davidstern) symbolisiert
das Ziel des alchemistischen Opus(16). Dieses letztere bestand darin,
das rein männliche, trinitarische Gottesbild des Christentums -
dargestellt durch das mit der Spitze nach oben gerichtete
gleichseitige Dreieck - zu wandeln. Die Alchemisten spürten,
dass die Definition eines ewig gleichbleibenden Gottes durch die
Kirchenväter nicht der Weisheit letzter Schluss sein konnte. Sie
ahnten, dass im Laufe des christlichen Zeitalters im Unbewussten eine
Wandlung dieses Gottesbildes eingesetzt hatte. Daher kamen sie zu dem
äusserst häretischen Schluss, dass der Gott der Christen
altert, krank wird, stirbt und in die Materie, in den menschlichen
Körper oder in dessen Triebsphäre versinkt. Dieser
Gottestod schuf eine Situation, in welcher jeder einzelne Mensch an
einer Erlösung dieser in der Materie versunkenen Gottheit
teilhaben musste.
Seit Paracelsus wurde diese zu
erlösende, zu transformierende oder zu veredelnde prima materia
ebenso trinitarisch vorgestellt, wie die christliche Gottheit. Zudem
entpuppte sie sich als ein weiblich-göttliches Prinzip, welches
in der Erde, in der Materie oder in der Triebhaftigkeit des
menschlichen Körpers ihrer Befreiung harrte. Diese
sehnsüchtig auf die Erlösung durch den Menschen wartende
Weltseele wurde durch das mit der Spitze nach unten gerichtete
gleichseitige Dreieck, eine Abstraktion des weiblichen Beckens,
dargestellt. Eine tiefen- und triebpsychologische Deutung dieser
paracelsischen Antitrinität zeigt, dass es sich dabei um die
Prinzipien der Aggression, der Exploration und der Sexualität
handelt (Näheres siehe in Die Gottsucher).
Als Folge der Befreiung und Erlösung
dieses weiblich-göttlichen trinitarischen Prinzips aus dem
menschlichen Körper hätte sich auch das
männlich-göttliche Prinzip in eine neue Trinität
wandeln sollen, was die Definition eines erneuerten oberen
Gottesbildes bedeutet hätte. Im Prozess der coniunctio
(Vereinigung der gegengeschlechtlichen Götter) hätte sich
derart das erneuerte obere Gottesbild mit dem erlösten unteren
vereinigen können. Diese Vereinigung, welche der erlösten
Weltseele entspricht, wurde durch das Symbol des Siegels Salomos
ausgedrückt.
Die Wandlung des oberen Gottesbildes
hätte bedeutet, dass die rein männliche christliche
Trinität durch eine solche der drei Prinzipien des Logos, der
Meditation und des Eros hätte ersetzt werden müssen (vgl.
Abb. 3B). Da die Alchemisten in ihrem Bewusstsein jedoch an der
christlichen Trinität festhielten, blieben sie in einem
religionspsychologischen Konfikt zwischen der triebhaften unteren und
der christlichen oberen Trinität stecken (vgl. Abb. 3A). Da sie
derart auch das weibliche Prinzips des Eros aus ihrem männlichen
Gottesbild ausschlossen, konnten sie folgerichtig die Triebenergie
nur in die beiden Prinzipien des Logos und der Meditation
transformieren.
Abb.3: Der Konflikt der christlichen Alchemisten und
dessen Lösung
Durch die Hinausverlegung der psychischen
Energie in die Extraversion nach der Zeit der Entdeckung Amerikas
verschwand schliesslich auch das Interesse an der Meditation, so dass
der Logos als alleiniges Prinzip übrig blieb.
Einzig der Paracelsusschüler Gerhard
Dorn (Dorneus) ahnte, dass auch dieses zutiefst weibliche Prinzip in
die erneuerte obere Trinität hätte aufgenommen werden
müssen. Er schlägt eine Fortsetzung des alchemistischen
Opus vor, welches mit der sogenannten unio mentalis(17)
beginnen soll. C.G. Jungs Aktive Imagination stellt eine moderne Form
dieser unio mentalis dar (s. dazu GW 14/II, § 265 und § 366).
Diese stellt eine Vereinigung von Geist und
Psyche, modern ausgedrückt: von Logos und Eros, dar. Um diese
Vereinigung zu erreichen, muss der Körper vorerst aber
»abgetötet« oder »mumifiziert« werden. In
unserer psychologischen Sprache würden wir diesen Sachverhalt
folgendermassen ausdrücken: Der von der Triebhaftigkeit und
Getriebenheit bewegte Körper muss in einem bewussten Akt
stillgelegt werden - eine Forderung, die jeder ernsthaften Art der
Meditation und Imagination zugrundeliegt. C.G. Jung hat mit seiner
Methode der Aktiven Imagination eine moderne Variante der Dornschen
unio mentalis gefunden(17a).
In einer zweiten Stufe des Dornschen Opus, in
der sogenannten unio corporalis, soll dann die
Vereinigung dieser unio mentalis mit dem vorher
»abgetöteten« Körper erreicht werden. Als Folge
dieser Prozedur wird der tote Körper wiederbelebt, und es findet
ein sogenannter Austausch der Attribute statt: Der Körper
wird psychisch, die Geist-Psyche wird materiell. Eine moderne
Umsetzung dieser Idee der unio corporalis des Arztes Gerhard
Dorn (Dorneus) stellt die von mir inaugurierte
Körperzentrierte Imagination oder Symptom-Symbol-Transformation
zur Behandlung somatischer Krankheiten dar (17b).
Dieser Prozess des Austauschs der Attribute
wird auch im Symbol des alchemistischen Pelikans dargestellt (Abb.
4). Dieses doppelbauchige Gefäss besitzt im oberen Teil zwei
charakteristische Rohre, welche wieder in den unteren Teil
hinunterführen. Während des Prozesses des Siedens und
Verdampfens einer Flüssigkeit wurde dieser Pelikan dicht
verschlossen, so dass der Dampf wieder in die Flüssigkeit
hinuntergeleitet und derart kondensiert wurde. Auf diese Weise wurde
die sogenannte zirkuläre oder rotierende Destillation(18)
eingeleitet, und sie war natürlich nur von Erfolg gekrönt,
wenn der Pelikan dicht verschlossen blieb. Nach der Vorstellung der
Alchemisten bewirkte diese Prozedur, dass das Destillat immer
konzentrierter und dadurch zur Essenz der prima materia wurde, welche
ihrerseits das Ziel der ganzen Prozedur darstellte.
Der im Pelikan dargestellte Prozess
entspricht aber auch der Konkretisierung des alchemistischen
Wahlspruches: »Mach das Feste flüchtig und das
Flüchtige fest«(19). Dieser Austausch der Attribute
bedeutet in einer modernen psychologischen Sprache das von C.G. Jung
entdeckte Phänomen der Synchronizität, das relativ
gleichzeitige Auftreten von sinnähnlichen inneren und
äusseren Ereignissen. In ihr findet eine Psychifizierung der
Materie und eine relativ gleichzeitige Rematerialisierung der Psyche
statt, da »sich die Psyche (benimmt), als ob sie materiell
wäre, oder die Materie, als ob sie zu unserer Psyche
gehörte«(20). Im konstruktiven Fall führen solche
Synchronizitäten in einen Schöpfungsprozess im Individuum
hinein, ihre destruktive Variante ist als der sogenannte Wolfgang
Pauli-Effekt in die Geschichte der Physik eingegangen.
Abb. 4: Der alchemistische und der
christliche Pelikan
Aufgrund der christlichen Pelikanlegende, in
welcher der Pelikan seine Brust aufreisst (vgl. Abb. 4), um seine
toten Jungen zu neuem Leben zu erwecken (Symbolik der Longinuslanze),
wurde er auch dem göttlichen Herzen Christi gleichgesetzt. Da
der alchemistische Pelikan andererseits eine eminent introvertierte
Prozedur beschreibt (Geschlossenheit des Gefässes!), ergibt sich
die Folgerung, dass das Herz, das heisst der Eros, und die
Introversion unabdingbar zusammengehören.
Abstrahiert man vom konkreten Pelikan der
Alchemie und fasst diesen rein symbolisch auf, so sieht man, dass
dieser eine Prozedur beschreibt, die völlig introvertiert
geschieht: Der moderne Alchemist setzt in sich selbst -
beispielsweise mit Hilfe der von mir inaugurierten Technik der Körperzentrierten
Imagination oder Symptom-Symbol-Transformation - den Prozess der
Psychifizierung der Körpermaterie in Gang, zu welchem aufgrund
des synchronistischen Modus dieses Geschehens ein Parallelprozess der
Rematerialisierung der Psyche gehört. Dabei ist diese in einem
introvertierten Schöpfungsakt durch den Menschen neu gezeugte
Materie als subtil oder hauchförmig zu verstehen. Sie entspricht
dem in diesem Leben für das Leben nach dem Tod aufzubauenden
Hauchkörper, welcher seinerseits den mikrokosmischen Aspekt der
erlösten Weltseele darstellt. Dieses nur in der tiefsten
Introversion beobachtbare energetische Geschehen nenne ich zwecks
Abgrenzung zu der von C.G. Jung entdeckten
Aussen-Innen-Synchronizität die mikrokosmische oder innere
Synchronizität. Sie entspricht dem Funktionsprinzip des
introvertierten Eros und bildet das eigentliche Gegengewicht zur
makrokosmischen, auf den äusseren Aspekt der Materie bezogenen
Kausalität.
Der qualitative Aspekt der Zahl Drei
entspricht dem Energiebegriff(21). Das Siegel Salomos beinhaltet
somit einen ambivalenten Energiebegriff: Neben der physikalisch-
chemischen Energie (beziehungsweise dem äusseren, physikalischen
Aspekt der Materie) enthält es auch die von C.G. Jung so
genannte objektivpsychische Energie (beziehungsweise die innere,
mikrokosmische, »subtile« Materie), welche in der
Quantenphysik als die sogenannte »negative Energie« mit
ihren seltsamen Eigenschaften wiedererscheint.
Der mit der Materie laborierende Alchemist
schwankte immer zwischen der makrokosmischen Prozedur der
Energetisierung der Materie (Befreiung der physikalischen Energie)
und der mikrokosmischen der Psychifizierung der Körpermaterie
(Befreiung der objektivpsychischen Energie) hin und her. Die Betonung
des Logos und der Extraversion hatte dann aber zur Folge, dass die
extravertierte Prozedur im 17. Jahrhundert die Oberhand gewann, so
dass die nur mit Hilfe eines introvertierten Prozesses mögliche
Befreiung der objektivpsychischen Energie aus der Körpermaterie
aus dem Erfahrungsbereich der Wissenschaft nach Paracelsus
verschwand. Die makrokosmische Befreiung der physikalischen Energie
wurde zum alleinigen Ziel der Wissenschaft, welche Entwicklung in
unseren heutigen Wahn der Energetisierung der Materie
hineinführte (Atombombe, verschwenderischer Umgang mit den
fossilen Energieträgern, Mobilität, usw.).
Die Vernachlässigung der Introversion
und des Eros hatten aber auch zur Folge, dass die beiden Hauptsymbole
des alchemistischen Opus, das Siegel Salomos und der Pelikan, nicht
in einem einzigen Symbol vereinigt werden konnten. Das Siegel Salomos
enthält zwar die für den Austausch der Attribute notwendige
doppeltriadische Struktur, das heisst die Ambivalenz des
Energiebegriffs, es fehlt ihm aber eine Verbindung, welche die beiden
Energien in die jeweils andersartige transformieren kann. Diese
Transformation kann nur im Pelikan, das heisst im menschlichen Herzen
und damit in der Introversion geschehen.
Der Pelikan, das Symbol des Herzens und der
Introversion, beschreibt andererseits das Phänomen des
Austausches der Attribute, das heisst, die Synchronizität, es
fehlt ihm aber die dazu notwendige doppeltriadische Struktur (welche
das Siegel Salomos beschreibt).
4.
Die Energietransformation innerhalb des Radbildes
Kehren wir zum Radbild des Niklaus von
Flüe zurück. Wie wir unmittelbar sehen, entsprechen dessen
»Speichen« den »Schwertspitzen« der
Originalvision. Da psychologisch gesehen sowohl »aussen«
und »oben« als auch »innen« und »unten«
symbolisch aequivalente Begriffe darstellen, können wir sagen,
dass die zwei entgegengesetzen Lanzentriaden der Vision dem Siegel
Salomos der Alchemie entsprechen.
Niklaus hat nun in der Verarbeitung der
Vision zum Radbild die beiden Doppelkreise im Inneren und an der
Peripherie zu dieser doppeltrinitarischen Symbolik hinzugefügt.
Wir müssen uns deshalb fragen, welchen Inhalt sie
ausdrücken könnten, der in der sechsten Vision vom
erschreckenden Gottesantlitz nicht auftaucht, welcher aber Niklaus
derart wesentlich erschien, dass er ihn, im Prozess der Verarbeitung
der Originalvision zum Radbild, hinzugefügt hat.
Während seiner Vision erlebte Niklaus
die sicher grösste Angst auslösende Empfindung, dass sein
Herz in kleine Stücke zu zerspringen drohte(22), und er wurde
davon derart überwältigt, dass er zur Erde stürzte.
Diese psychosomatische Reaktion des Niklaus gibt uns einern ersten
Hinweis darauf, dass sein Herz mit der Vision des erschreckenden
Gottesantlitzes und damit mit dem Radbild verbunden ist.
Im sogenannten Pilgertraktat erwähnt
dieser anonyme Pilger, dass Bruder Klaus ihn gelehrt habe, den
inneren Kreis des Radbildes »als den klaren Spiegel des wahren
lebendigen Gottes«(23) zu deuten. In der muslimischen Mystik, im
Sufismus(24), bildet das Herz den »Spiegel, in dem Gott sich
selber schauen kann«(25), und es stellt deshalb den Treffpunkt
zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen dar(26). Diese
Aussage stimmt mit der Tatsache überein, dass die
Begegnungsstätte mit dem Göttlichen in der Mystik ganz
allgemein dem menschlichen Herzen entspricht(27).
Im geläuterten Zustand entspricht das
Herz des Sufi dem Astralleib (dem subtle body oder
Hauchkörper, s.u.), der die Fähigkeit besitzt, in den
Himmel aufzusteigen(28). Um diesen geläuterten Zustand zu
erreichen, muss es vorerst einmal »zerbrochen« (!)
werden(29) und möchte davonlaufen(30) (weil es unbewusst
leidet). Doch es muss »zur Ruine«(31) werden (Niklausens
Empfindung, dass sein Herz in kleine Stücke zu zerspringen
droht!), womit die aussergöttlichen Einflüsse darin
zerstört werden.
Die Auseinandersetzung mit der
Triebhaftigkeit nennt sich das »ununterbrochene Polieren des
eisernen Herzensspiegels«(32), und das Resultat dieser
Tätigkeit stellt das Siegel Salomos im Herzen(33) dar. Dabei ist
zu betonen, dass diese Triebhaftigkeit nicht etwa wie in der
christlichen Herz-Jesu-Mystik verdrängt wird, sondern dass sich
die muslimisch-sufische Mystik die Veredelung der Inhalte der
Triebsphäre ausdrücklich zur Aufgabe gemacht hat(34). Schon
als der Begründer des Islam, Muhammad, gefragt wurde, wie sich
denn sein shaitan (Satan; hier synonym der Triebhaftigkeit)
benähme, antwortete er: »Mein shaitan ist ein Muslim
geworden und tut nur, was ich ihm befehle«(35). Eine
eindrücklichere Schilderung der Integration des Schattens (C.G.
Jung) und der Triebhaftigkeit kann man kaum mehr geben.
Man sieht aus diesen Amplifikationen, dass
der Sufismus von ähnlichen archetypischen Ideen erfüllt
ist, wie der christlichen Mystiker Niklaus von Flüe. Dies
dürfte auch der Grund sein, warum der heutigen Jugend der
Sufismus (und der Tantrismus) so nahe steht. Dass der Schweizer
Nationalheilige von derselben archetypischen Wandlungssymbolik
ergriffen war, dürfte ihr allerdings weniger bekannt sein. Der
Prophet gilt nun einmal im eigenen Land - und vor allem in der
Schweiz - nicht allzu viel!
Die Amplifikationen aus der islamischen
Mystik zeigen uns aber vor allem, dass mit dem
»Gottesspiegel« des Pilgertraktates, den Niklaus dem
inneren Doppelkreis des Radbildes gleichsetzt, das menschliche Herz
gemeint ist. In diesem scheint offensichtlich die Transformation des
christlichen Gottesbildes stattzufinden(36).
Drei der Spitzen sind auf dieses Zentrum, das
heisst, auf das Herz gerichtet. womit ein dreifacher Lanzenstoss in
das Herz entsteht. Da dieses Herz sowohl menschliche als auch
göttliche Qualitäten besitzt, erinnert diese Symbolik
sofort an das Zentralmotiv der Herz-Jesu-Mystik, an die
Longinuslanze, welche das Herz des Gottmenschen Christus öffnet.
Allerdings fehlt dieser offiziellen christlichen Mystik die
Auseinandersetzung mit der Triebhaftigkeit. Erst die Alchemie des
Paracelsus hat einen ersten Versuch zur Transformation dieser
instinktiven Energien unternommen und, wie wir gesehen haben, im
Pelikan das dazu geeignete Symbol gefunden.
Gemäss Niklaus bedeutet der äussere
Doppelkreis des Radbildes die »sinnfälligen Dinge und ihre
in uns hervorgerufenen Wirkungen«(37). Mit dieser Aussage sind
natürlich die mit den fünf Sinnen wahrnehmbare Aussenwelt
und ihre Einflüsse auf unsere Psyche gemeint. Wenn man diese
»sinnfälligen Dinge« dem materiellen Aspekt des Kosmos
ganz allgemein gleichsetzt, wird auch der menschliche Körper und
dessen Triebhaftigkeit mit einbezogen. Wir erhalten also das
Resultat, dass die drei nach innen gerichteten Lanzenspitzen des
Radbildes offensichtlich in der Materie- oder Körpersphäre
wurzeln und in das Herz stechen.
Durch die Hinzufügung der beiden
Doppelkreise zur Doppeltrinität der ursprünglichen Vision
ist in Niklaus ein entscheidender Fortschritt geschehen. Im Gegensatz
zur Herz- Jesu-Mystik, welche die Verbindung des menschlich-
göttlichen Herzens mit dem Körper und der Triebhaftigkeit
leugnete, die Transformation der triebhaften Energie daher
verdrängte und so in einer sentimentalen Romantik endete,
gelingt Niklaus im Radbild eine Verbindung der Körper- und
Triebsphäre mit dem Herzen.
Wie die Untersuchung der Symbolik des
Pelikans gezeigt hat, bedeutet der Terminus »Herz« die
totale Introversion und die Synchronizität. Psychologisch
gesehen heisst die von Niklaus geschaffene Verbindung der
Triebsphäre mit dem Herzen daher die Überleitung der
triebhaften Energie in die Introversion, womit der oben beschriebene,
innere synchronistische Prozess ausgelöst wird.
Damit hat der Schweizer Mystiker die
notwendige Voraussetzung für die introvertierte Verarbeitung der
energetischen Impulse aus der Triebtriade geschaffen. Zugleich ist er
aber - bewusst oder unbewusst - zum christlichen Häretiker
geworden, da er nun bereit ist, seine Triebhaftigkeit als prima
materia eines Opus anzuerkennen, in welchem diese in die Quintessenz
veredelt werden soll.
Gemäss der Aussage der Vision gehen von
diesem Aussen, den »sinnfälligen Dingen«, aber
offensichtlich auch Einflüsse aus, welche die Sinnesorgane des
alten Gottesbildes zerstören. Ein erneuertes Gottesbild scheint
also wesentlich mit einer Blindheit, Taubheit und Stummheit in Bezug
auf das Aussen zusammenzuhängen(38), was offensichtlich
bedeutet, dass die erneuerte Gottheit keine kausale Beeinflussung des
Aussen, das heisst, keine auf Ursache und Wirkung beruhende
Schöpfung beabsichtigt.
Die Ausschaltung der Sinnesorgane des
Menschen wird psychologisch gesehen immer kompensiert durch eine
Konzentration auf das »Innen der Materie«, das heisst, auf
den vegetativen Körper. Das die Sinnesorgane zerstörende
Aussen - die »sinnfälligen Dinge und ihre in uns
hervorgerufenen Wirkungen« -, welches Niklaus durch die beiden
äusseren Doppelkreise symbolisiert, bewirkt somit eine
Konzentration auf das vegetative Nervensystem. Mit der
Hinzufügung der äusseren Doppelkreise zur Vision vom
erschreckenden Gottesantlitz ist in Niklaus von Flüe also nichts
weniger als eine Vergottung des vegetativen Nervensystems geschehen -
womit der Gipfel der Häresie erreicht ist.
Die vom Herzen ausgehenden Lanzenspitzen
scheinen auf irgend eine Weise die körperliche Welt (die
äusseren Doppelkreise des Radbildes) wieder zu berühren. Da
Niklaus versuchte, die energetische Doppeltrinität des in ihm
auftauchenden erneuerten Gottesbildes auf die christliche
Trinität zu reduzieren, konnte er im Gegensatz zu Paracelsus,
den Sufis und den Tantrikern (s.u.) noch nicht erkennen, dass die vom
Herzen ausgehenden Lanzenspitzen dem Aufbau des göttlichen
Hauchkörpers (subtle body), das heisst also einer
subtilen Form der Körpermaterie dienen. Doch hat er diesen
Transformationsprozess mit aller Gewissheit als Körpersensation
erfahren. Zudem scheint er diese Zusammenhänge unbewusst geahnt
zu haben, denn er verbindet diese nach aussen führenden
Lanzenspitzen mit der Jungfrauengeburt Marias und mit der Hostie(39),
somit also mit zwei Begriffen der christlichen Dogmatik, welche zu
jenen des Astral- oder Hauchkörpers und der subtilen Materie
eine innere Verwandtschaft besitzen.
Wir verstehen nun, warum Niklaus von
Flüe, einem unbewussten Drang folgend, nicht einfach einen
äusseren und einen inneren Kreis, sondern zwei Doppelkreise
gezeichnet hat: Der äussere Doppelkreis will darauf hinweisen,
dass aus der Körpermaterie über das vegetative Nervensystem
eine neue, subtile Materie, eben der göttliche Hauchkörper
aufgebaut wird, der innere Doppelkreis zeigt, dass dieser Aufbau
synchronistisch (im inneren, »subtilen« Aspekt des Herzens,
das heisst im anahata (s. dazu unten)) geschieht.
Wie der Leser aufgrund meiner
Ausführungen leicht einsehen kann, entsprechen die beiden
Doppelkreise des Radbildes dem symbolischen Gehalt des Pelikans
(Körper -> Herz -> Introversion -> synchronistisches
Geschehen -> Austausch der Attribute -> Hauchkörper), die
doppeltriadischen »Speichen« hingegen der Symbolik des
Siegels Salomos (doppeltriadische Struktur und ambivalenter
Energiebegriff). Mit dem Radbild ist Niklaus von Flüe
somit die Vereinigung des Siegels Salomos und des Pelikans der
Alchemie in einem Symbol gelungen, in welchem nun die beiden Triaden
des Siegel Salomos derart verbunden sind, dass die Transformation der
Energie stattfinden kann. Da die Nabe des Radbildes dem
Herzen entspricht, geschieht dieser Austausch der Attribute eben in
diesem Herzen, das heisst, in der totalen Introversion. Und nur in
dieser - im absolut verschlossenen Pelikan - ist der Aufbau des
weiblich-göttlichen Prinzips des Eros möglich.
Im Radbild kann also sowohl eine
Psychifizierung der Materie als auch eine relativ gleichzeitige
Rematerialisierung der objektivpsychischen Energie in eine
hauchkörperartige Form der Materie stattfinden. Das Radbild wird
so zu einem vollständigeren Symbol als das doppeltriadische
Siegel Salomos, da in ihm nun der Aufbau des Hauchkörpers
gemäss dem introvertierten synchronistischen Modus möglich
wird. Es wird derart auch zum Symbol der von mir oben definierten
inneren Synchronizität, welche der Deifikation des menschlichen
Körpers, das heisst, dem Aufbau des Hauchkörpers,
dient.
Wie wir oben gesehen haben, entspricht diese
mikrokosmische oder innere Synchronizität dem Funktionsprinzip
des introvertierten Eros. Offensichtlich ist Niklaus von Flüe in
der tiefsten Introversion die Verbindung mit dem dritten Aspekt des
erneuerten Gottesbildes, mit dem Prinzip des Eros, und der damit
verbundene Aufbau des Hauchkörpers gelungen.
Dass Niklaus von Flüe einen
äusserst intensiven Eros lebte, zeigt uns die Tatsache, dass er
in der Einsamkeit in eine derart tiefe Beziehungsfähigkeit
hineinwuchs, dass er bald einmal zum Ratgeber Hunderter wurde,
welchen er direkt aus der Seele lesen konnte. Wie wir den
Mitteilungen seiner Zeitgenossen entnehmen können, wurde seine
Klause zeitweise förmlich von Hilfesuchenden belagert, und sein
Ruf als Ratgeber breitete sich über halb Europa aus. So wurde
der Schweizer Heilige schliesslich zum Vorbild des heute wieder
intensiv konstellierten Archetypus des Priesterarztes, eines
Ratgebers sowohl in psychologischen als auch in religiösen
Fragen(40).
Doch auch der damals von einem
Bürgerkrieg bedrohten Schweiz half er in entscheidendem Masse:
Ohne sein Ranft zu verlassen, wurde er dank seines weit
ausstrahlenden Eros zum erfolgreichen Vermittler an der Tagsatzung zu
Stans. Er gilt daher als der eigentliche Vater des sogenannten
Stanser Verkommnisses von 1481, einem Friedensvertrag zwischen der
ländlichen Innerschweiz und den Städten, welcher die
Beziehung der zerstrittenen Eidgenossen neu regelte. Dieser Vertrag
bildete die Grundlage des Zusammenlebens der Schweizer für die
nächsten dreihundert Jahre, und er war derart vom Geist des Eros
geprägt, dass er sogar die Kriegswirren der Reformation
überdauerte. Ohne Niklaus von Flüe würde daher die
Schweiz in ihrer jetzigen Form kaum mehr bestehen(41).
Wir wissen von Niklaus von Flüe weiter,
dass er die letzten zwanzig Jahre seines Lebens nichts mehr ass(42).
Offensichtlich hatte der mit der Hilfe des synchronistischen
Erosprinzips stattfindende Aufbau des Hauchkörpers zur Folge,
dass er schon in diesem Leben keiner irdischen Nahrung mehr bedurfte.
Seine Zeitgenossen berichten auch, dass er an anderen Orten, vor
allem bei der heilkräftigen schwarzen Maria von Einsiedeln,
gesehen worden sei(43). In der Parapsychologie nennt man dieses
Phänomen Translokation oder Bilokation. Er selber spricht davon,
dass er aus seinem Körper ausgetreten und auf diese Weise von
seinem Ranft nach Sachseln gegangen sei(44), was an die
ausserkörperlichen Erfahrungen (out of body experience;
OOBE) erinnert. Niklaus soll auch die Fähigkeit der
Kardiognosie besessen haben(45), das heisst, er sah direkt in das
Herz der Mitmenschen und konnte ihnen in hellsichtiger Weise ihre
bösen Taten nachweisen. Alle diese Phänomene können
nur mit Hilfe des Synchronizitätsprinzips C.G. Jungs
erklärt werden, und sie tauchen auch im Entwicklungsprozess der
Sufis(46) und vor allem der Tantristen(47) auf. Diesen letztern
wollen wir uns deshalb noch zuwenden, um zu zeigen, dass im
christlichen Mystiker Niklaus von Flüe neben der muslimischen
auch die buddhistische und hinduistische Mystik mit ihrem Anliegen
des Aufbaues des Hauchkörpers konstelliert war.
5.
Das Radbild und der Aufbau des Hauchkörpers (subtle body)
im Tantrismus
Wie wir oben gesehen haben, führt das
Motiv der Zerstörung der göttlichen Sinnesorgane in die
Vergottung des vegetativen Körpers hinein. Das Konzept der
Deifikation des vegetativen Körpers stellt eines der
Zentralmotive des hinduistischen Tantrismus dar. Der Tantrist kennt
neben der materiellen oder grobstofflichen Anschauung der Welt und
des menschlichen Körpers, dem sthula-Aspekt, noch einen
weiteren(48), den sogenannten suksma-Aspekt. Dieser besitzt
göttliche Qualität und kann nur innerlich erfahren
werden.
Mit Hilfe einer introspektiv-forschenden
Einstellung haben die Tantriker entdeckt, dass diese göttliche
Energie sich in sieben Zentren des vegetativen menschlichen
Körpers konzentriert. Der sthula-Aspekt dieser Zentren
entspricht gewissen Plexen (Nervenknoten) des vegetativen
Nervensystems, der suksma-Aspekt den zu diesen Plexen gehörenden
Chakras (vgl. Abb.5).
Wie ich gezeigt habe (49), entsprechen
die unteren drei Chakras in einer psychologischen Sprache der
Triebtriade von Exploration, Sexualität und Aggression. Der
Tantrismus versucht daher dieselbe introvertierte Auseinandersetzung
mit der Triebhaftigkeit, welche, wie wir oben gesehen haben, ein
Zentralmotiv des Sufismus und der Alchemie des Paracelsus
darstellt.
Um sein Ziel der Veredelung der Triebenergie
zu erreichen, öffnet der Tantriker in einem introvertiert-
meditativen Prozess die Chakras von unten nach oben(50) und
lässt die in ihnen enthaltene Energie in die Chakras über
dem Zwerchfell, vor allem einmal in das anahata fliessen. Die damit
verbundene Vorstellung besteht im hinduistischen Tantrismus darin,
dass die Kundalinischlange die Chakras von unten nach oben
durchbohrt. Wenn die drei qualitativ verschiedenen Energien in diesem
introvertierten Prozess befreit worden sind, durchsticht die
Kundalini schliesslich das anahata-Chakra, den suksma-Aspekt des
vegetativen Herzplexus. Derart ist die erste Stufe des Aufbaus des
subtilen Körpers erreicht(51).
Es ist unmittelbar einzusehen, dass diese
Symbolik jener der drei Lanzenspitzen im Radbild des Niklaus
entspricht, welche, von der Körpersphäre ausgehend, das
Herz durchbohren.
Wenn wir das Zentrum des Radbildes als Herz
interpretieren, stellen wir fest, dass drei weitere Lanzenspitzen von
diesem ausgehen. Auch diese Symbolik stimmt mit der tantrischen
überein: über dem anahata befinden sich drei weitere
Chakras, welche von der Kundalinischlange ebenfalls durchstochen
werden, nachdem diese das Herz-Chakra durchbohrt hat (vgl. Abb. 5).
Derart werden die höheren Aspekte des Hauchkörpers
aufgebaut(52). Der Dreiheitsaspekt dieses Hauchkörpers erinnert
natürlich sofort an die erneuerte obere Trinität des
alchemistischen Opus, und sein qualitativer Inhalt - die oberen drei
koshas - erinnert an die Prinzipien der Meditation, des Logos und des
Eros.
Das anahata, der suksma-Aspekt des Herzens,
bildet derart das Zentrum zweier entgegengesetzter Triaden. Die
unteren drei Chakras beinhalten offensichtlich den suksma- Aspekt der
von mir so genannten Triebtriade, das heisst in einer psychologischen
Sprache, den introvertiert erfahrbaren Aspekt der Exploration, der
Sexualität und der Aggression, die oberen drei Chakras enthalten
die erneuerte obere Trinität von Logos, Meditation und Eros, so
dass das anahata letztlich eine untere und eine obere Trinität
verbindet. Folgerichtig enthält das Herz-Chakra denn auch das
Siegel Salomos (vgl. Abb. 5), die Vereinigung der instinktiven mit
der geistig-psychischen Trinität, welches im Gegensatz zur
Alchemie nun aber im menschlichen Herzen zu finden ist. Diese
Verbindung des doppeltriadischen Symbols mit dem Herzen entspricht
aber der Struktur des Radbildes.
Auch der buddhistische Tantrismus(53) ist
bestrebt, durch eine Meditation (buddhistisch: dhyana(54)) die beiden
Prinzipien der schöpferischen Erkenntnis (prajna) und des
aktiven Allerbarmens (karuna) aufzubauen. Offensichtlich sollen also
mit Hilfe einer Meditation die Prinzipien des Eros und des Logos
aufgebaut werden. Diese Meditation bezieht sich dabei auf die
»Triebkräfte«(55), die der Tantriker nicht etwa
verneint oder vernichten will, sondern »im Feuer der Erkenntnis
zu läutern und umzuwandeln (sucht), so dass sie zu Kräften
der Erleuchtung werden«(56). Auch diese Triebkräfte des
Buddhismus sind in einer unteren Trinität strukturiert, deren
introvertiert erfahrbarer Aspekt durch die drei unteren Chakras
muladhara, svadhisthana und manipura visualisiert wird. Zudem
existiert die Vorstellung, dass die sushumna, der die Chakras
verbindende Zentralkanal der Wirbelsäule (vgl. Abb. 5), diese
Chakras durchsticht. Offensichtlich wird auch hier die triebhafte
Energie in der Exploration, der Sexualität und der Aggression in
einem introvertierten Prozess vorerst einmal in das anahata geleitet,
wobei auch dieses vierte Chakra von der sushumna durchstochen
wird.
Wenn dann, ausgehend vom anahata, durch eine
weitere Transformation die drei oberen Prinzipien aufgebaut worden
sind, findet eine Vereinigung von prajna und karuna statt, und diese
»stellt den vollkommenen Pfad der Erleuchtung dar«(57).
Wenn nämlich prajna, »das ruhende, allumfassende, alles in
sich aufnehmende und alles aus sich hervorbringende 'Ewig-Weibliche',
vereint ist mit dem dynamisch-männlichen Prinzip des aktiven
Allerbarmens (karuna), der alldurchstrahlenden Kraft tätiger
Liebe..., dann ist die vollkommene Buddhaschaft erreicht. Denn
Verstand ohne Gefühl, Wissen ohne Liebe, Erkenntnis ohne
Mitleid, führt zur reinen Negation, zur Erstarrung, zum
geistigen Tod, zum blossen Vakuum; während Gefühl ohne
Vernunft, Liebe ohne Erkenntnis (blinde Liebe), Mitleid ohne Wissen,
zu Verschwommenheit und völliger Auflösung führt. Wo
aber beide Seiten vereint sind, wo die grosse Synthese von Herz und
Hirn, Gefühl und Verstand, höchster Liebe und tiefster
Erkenntnis stattgefunden hat, dort ist die Ganzheit hergestellt, die
vollkommene Erleuchtung erreicht«(58).
6.
»Was die Welt im Innersten zusammenhält«
Diese
Vereinigung von Eros und Logos mit der Hilfe der Meditation
(imaginatio) entspricht auch einem Ziel des alchemistischen Opus, der
Herstellung des im empirischen Menschen inkarnierten Gottmenschen,
welches, wie wir gesehen haben, einzig der Paracelsus-Schüler
Gerhard Dorn beschrieben hat. Er geht nach seiner unio corporalis, in
welcher der innere synchronistische Austausch der Attribute
stattfindet, noch einen Schritt weiter, indem er das Ziel des Opus in
der typischen mythologisierenden Sprache der Alchemisten
folgendermassen beschreibt(59): Nachdem der Stein (lapis) - ein
Synonym sowohl des deifizierten Hauchkörpers als auch des
erneuerten Gottesbildes - durch die alchemistische Prozedur
hergestellt worden ist, beginnt er »eine dunkle (obscurus) und
rote Flüssigkeit, gleich wie Blut ... tropfenweise
aus(zu)schwitzen«(60). [vgl. zu diesem Motiv das dazu
synonyme der Extraktion
der roten Tinktur aus dem lapis]
Natürlich fällt uns sofort die
ähnlichkeit dieses Prozesses mit der Symbolik des Radbildes auf,
in welchem die drei »Lanzen« in das Herz stossen, womit
natürlich die Assoziation der Befreiung des Blutes des
Gottmenschen verbunden ist. Aber auch das Zentralmotiv der
Herz-Jesu-Mystik, der Lanzenstoss des Longinus in das Herz Christi,
kommt einem unmittelbar in den Sinn. Doch kann es sich, wie Jung
betont, bei diesem Prozess nicht um eine Rückkehr zur
Herz-Jesu-Mystik handeln. Denn weil der alchemistische Stein durch
menschliches Bemühen aufgebaut wird und zudem seine Wurzeln in
dessen Triebsphäre hat, kann er nicht dem historischen Christus
entsprechen. Gemäss den Aussagen des Gerhard Dorn symbolisiert
daher dieser Blut ausschwitzende Stein den putissimus homo, den Jung
als den »echtesten« und »unverfälschten«
Menschen deutet, im Gegensatz zu Christus, der den homo purissimus,
den reinen, das heisst den von aller Sünde freien Gottmenschen
darstellt. Wie Jung darlegt, handelt es sich bei diesem Dorn'schen
Ziel des Blut ausschwitzenden Steines um den im ganz
gewöhnlichen Menschen inkarnierten Gottmenschen der Zukunft, den
alchemistischen Servator cosmi, der am Beginn der apokalyptischen
Zeit kommen und »das bewirken soll, was der Opfertod Christi
offenbar unvollendet gelassen hat, nämlich die Befreiung der
Welt vom Übel«(61). Und Jung zieht den Schluss, dass es
sich bei diesem inkarnierten Gottmenschen tiefenpsychologisch gesehen
um eine Vereinigung der Prinzipien von Eros und Logos handelt, welche
durch eine Bearbeitung der Triebhaftigkeit, das heisst offensichtlich
durch ein imaginatives Prinzip, zustandegekommen ist.
Das Ziel der Inkarnation des putissimus homo
entspricht also jenem des Aufbaus eines erneuerten Gottesbildes, das
die Alchemie durch die Doppeltrinität des Siegels Salomos
darzustellen versuchte, mit dessen Hilfe die Erlösung der in der
Materie, im menschlichen Körper und in dessen Trieb haftigkeit
gefangenen Weltseele geschehen sollte(62). Wie wir gesehen haben,
scheiterte die Alchemie aber an der Tatsache, dass sie an der
christlichen Trinität festhielt.
Erst Dorneus ahnte, dass diese
Doppeltrinität aus einer erneuerten oberen Trinität der
drei Prinzipien des Logos, der Meditation und des Eros bestehen
sollte, welche aus ihrem materiellen Spiegelbild, der unteren
Trinität der Aggression, der Exploration und der
Sexualität, herausdestilliert werden soll. Wir haben weiter
gesehen, dass diesem abstrakten Gottesbild der energetische Aspekt,
das heisst vor allem ein die Gegensätze verbindender Ort fehlt,
in welchem diese Transformation stattfinden könnte. Deshalb
konnte die Alchemie ihre beiden Hauptsymbole, den Pelikan und das
Siegel Salomos, noch nicht in einem Symbol vereinigen.
Erst das Radbild des Niklaus von Flüe
enthält die Idee der Energetisierung dieses abstrakten
Gottesbildes, welche auch dem tantrischen und dem sufischen Prozess
innewohnt. Und erst diese Energetisierung, welche empirisch gesehen
einer introvertierten Auseinandersetzung des abgeblendeten
Bewusstseins mit der Triebhaftigkeit entspricht, schafft die
Voraussetzung dafür, dass dieses erneuerte Gottesbild, die
erlöste Weltseele oder der von Jung erwähnte putissimus
homo oder Servator cosmi, in den Erfahrungsbereich des menschlichen
Bewusstseins eindringen kann. Das Radbild zeigt uns weiter, dass der
makrokosmischen Erlösung der Weltseele der Aufbau eines
mikrokosmischen, deifizierten Hauchkörpers entspricht, in
welchem die beiden Trinitäten über das Symbol des Herzens,
das heisst über die Erfahrung der inneren Synchronizität,
verbunden sind.
Auf diese Weise ist aus der
Doppeltrinität des Siegels Salomos die 2x(3+1)-Struktur des
Radbildes, das heisst, eine ganz spezifisch strukturierte Achtheit
(Ogdoas)(63) entstanden. Eben diese spezifische Struktur taucht heute
im sogenannten Mesonen-Oktett(64) der Quantenphysik wieder auf, und
auch dieses entsteht aus dem doppeltriadischen
Quark-Antiquark-Sextett (vgl. Abb. 6). Das Mesonen-Oktett beschreibt
aber nichts weniger als die Atomkraft, welche die Elementarteilchen
jedes Atomkerns aneinanderkettet. »Was die Welt im Innersten
zusammenhält«, ist also einerseits diese Atomkraft,
andererseits aber das Radbild des Niklaus von Flüe!
Abb. 6: Das Quark-Sextett und
das Mesonen-Oktett
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Remo F. Roth
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Beginn
1)
Franz, Marie-Louise, v.: Die Visionen des
Niklaus von Flüe, 2. Aufl., Zürich, 1980
8) Es handelt sich bei diesem Bild
um ein aus der Er innerung aufgezeichnetes Bild eines Besuchers
(Bovillus) des Niklaus (zit. nach Durrer, 2. Bd., S. 561)
10) Roth, Remo F.: Die Gottsucher;
Eine Vereinigung der christlichen Mystik und der Quantenphysik in der
Synchronizität C.G. Jungs, Frankfurt, 1992
13) »Es scheint, der Selige
habe sich hier mehr in das Geheimnis gehüllt als bei andern
Erscheinungen, so dass auch seine vertrauten Freunde und
Altersgenossen darüber nichts Genaues auszusagen wissen und
daher vorziehen zu schweigen.« (Stöckli, A.: Die Visionen
des seligen Bruder Klaus, Einsiedeln, 1933, S. 33).
14) In diesem Zusammenhang ist
ausdrücklich darauf hinzuwei sen, dass die in der Kirche zu
Sachseln zusammen mit dem Radbild an die Wand gemalten Medaillons mit
christlichem Inhalt nicht von Niklaus stammen, sondern eine
spätere Hinzufügung darstellen (vgl. dazu v. Franz:
Visionen..., S. 121, Anm. 22 bzw. Stöckli, A.: Die Visionen des
seligen Bruder Klaus, Einsiedeln, 1933, S. 42ff.).
15) Auch der Ansicht Blankes, S.
95ff., dass das Radbild und die Vision vom erschreckenden
Gottesantlitz nicht zusammengehören, muss aus
tiefenpsychologischer Sicht widersprochen werden (Vgl dazu Jung: Von
den Wurzeln des Bewusstseins, S. 12f.). Meines Erachtens zeigt sich
in der Entwicklung von der ursprünglichen Vision zum Radbild,
dass Niklaus dem vorbewusst-archetypischen Fluss gefolgt ist, der
durch die erwähnte Abstraktions- und Energetisierungstendenz die
christliche Definition des Gottesbildes erweitern will.
16) zum folgenden s. Roth, Remo,
F.: Die Gottsucher, Kap. 4
17b) Roth, Remo, F.: Hat AIDS einen
Sinn?, Behandlungsmöglichkeiten der HIV-Infektion auf der
Grundlage tiefenpsychologischer Imaginationsmethoden, IKOS Verlag,
Maur-Zürich, 1994, S. 97ff.
21) vgl. dazu Die Gottsucher, Kap.
2
Auch von Muhammad, dem
Begründer des Islam, wird erzählt, dass ihm das Herz
gespalten wurde (Schimmel, A.: Und Muhammad ist sein Prophet,
Diederichs Gelbe Reihe, DG 32, 1981, S. 52).
24) es finden sich bei Niklaus sehr
viele Symbole, die auch in der sufischen Mystik eine grosse Rolle
spielen
36) Wie wir weiter unten sehen
werden, ist mit diesem Herzen dessen Hauchkörperaspekt gemeint,
welcher im Tantrismus anahata genannt wird. In diesem findet die
Transformation des grobstofflichen in den feinstofflichen Aspekt der
Körpermaterie statt.
38) Auf der Grundlage dieser
Einsicht habe ich die von mir so genannte therapeutische Methode der Körperzentrierten
Imagination oder
Symptom-Symbol-Transformation zur Behandlung somatischer Krankheiten entwickelt, eine auf der Aktiven
Imagination C.G. Jungs, dem focusing Eugene Gendlin's und den
Einsichten des Paracelsus beruhende, imaginative Methode, in welcher
die einem Symptom oder einer somatischen Krankheit entsprechenden
inneren Bilder gesucht werden. Diese Methodik beinhaltet eine
bewusste "Blindheit" gegenüber dem somatischen Symptom (dem von
der Psyche aus gesehenen "Aussen"), mit dem Zweck, das
zugehörige, innere, aus dem vegetativen Nervensystem entstehende
Bild, das Symbol, zu extrahieren. Die Deutung solcher Bilder scheint
einen negentropischen Prozess in Gang zu setzen, welcher heilend
wirkt. Auf der Basis dieses Ansatzes lässt sich zudem eine
neuartige, auf der Psychologie Jungs beruhende, archetypische
Psychosomatik aufbauen. (Vgl. dazu: Roth, Remo, F.: Hat AIDS einen
Sinn? - Behandlungsmöglichkeiten der HIV-Infektion auf der
Grundlage tiefenpsychologischer Imaginationsmethoden, IKOS-Verlag,
Maur-Zürich, 1994).
39) Dass derart das Phänomen
der erneuerten oberen Trinität in einem Zusammenhang mit dem
Astralkörper gebracht wird, müsste eigentlich der
Quantenphysik, welche mit den drei Quarks anti-up, anti- down und
anti-strange eine erneuerte obere Trinität postuliert, zu denken
geben. Offensichtlich hängt die hinter der Antimaterie
auftauchende negative Energie mit dem subtle body
zusammen.
42) Gemäss den von seinem
Beichtvater bezeugten Aussagen genügte es ihm, der Messe
beizuwohnen und dem Priester bei der Kommunion zuzusehen, um seinen
Körper am Leben zu erhalten! (Durrer, S. XX). Offensichtlich
hatte der Heilige einen Weg zum Aufbau negentropischer
(lebenserhaltender) Energie gefunden, ein weiterer Hinweis darauf,
dass ihm unbewusst der Aufbau des subtle body gelungen
ist.
45) Marie-Louise von Franz bringt
diese Gabe der Kardiognosie in einen Zusammenhang mit der Entwicklung
des Erosprinzips, welches einen direkten Zugang zum
»vorbewussten« oder »absoluten Wissen« des
kollektiven Unbewussten ermöglicht.
48) Er kennt auch noch einen
dritten, den para-Aspekt
49) in Die Gottsucher, 5.
Kapitel
50) Da der Tantrismus das
»Bewusstsein« bei Beginn des Prozesses im Bauch
lokalisiert, ergibt sich eine Flussrichtung der Energie von unten
nach oben. Der heutige westliche Mensch identifiziert sich im
Gegensatz dazu mit einem Bewusstsein, das irgendwo in der Kopfgegend
angesiedelt ist, weshalb er sich vorerst einem Prozess von oben nach
unten unterwerfen muss. Dieser Prozess entspricht jenem des Absturzes
des Gottmenschen.
59) vgl. zu dieser Problematik im
allgemeinen Jung, C.G.: GW 13, § 383ff.
60) ebd., § 381
61) ebd., § 391
62) Wie ich in meinem Buch Hat AIDS
einen Sinn? - Behandlungsmöglichkeiten der HIV-Infektion auf der
Grundlage tiefenpsychologischer Imaginationsmethoden, IKOS- Verlag,
Maur-Zürich, 1994 gezeigt habe, entspricht das HI- Virus
symbolisch-phänomenologisch gesehen der Weltseele (Purusha).
Deren Erlösung aus dem menschlichen Körper durch
imaginative Methoden stellt daher einen vielversprechenden
tiefenpsychologischen Ansatz zur Behandlung HIV-Betroffener
dar.
63) Diese Ogdoas erinnert
natürlich an die Typologie C.G. Jungs mit ihren acht
möglichen Funktionen, wobei jeweils der inferioren Funktion, der
Verbindung mit dem kollektiven Unbewussten bzw. mit der Weltseele,
eine Sonderrstellung zukommt.
64) zum folgenden vgl. Roth, Remo,
F.: Die Gottsucher, Kap. 6
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