Remo F. Roth

Dr. oec. publ., Ph.D.

dipl. analyt. Psychologe (M.-L. v. Franz)


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©  2005 by Pro Litteris, Zurich, Switzerland and Remo F. Roth, Horgen-Zurich. All Rights Reserved. dr.remo.roth@psychovision.ch. Republication and redissemination of the contents of this screen or any part of this website are expressly prohibited without prior psychovision.ch written consent. This book is intended for private use only, and is copyrighted under existing Internet copyright laws and regulations.


Der Briefwechsel zwischen Wolfgang Pauli und C.G. Jung 

Ein Dokument des ungelösten psychophysischen Problems des 20. Jahrhunderts


Kapitel 2:  

1934: Das doppeltrinitarische Gottesbild, die Integration des kollektiven Eros und die Extraktion der Körperseele aus dem physischen Körper

[Kapitel 1]

 

2.1 Paulis Angst im Traum von den drei Riesenpferden, Niklaus von Flües Angst vor dem doppel-trinitarischen Gottesbild und das Siegel Salomos als Symbol der Atomkraft

2.2 Niklaus von Flües Vision von der Lilie, die kontemplative Seele und das Ziel des alchemistischen Opus

2.3 Die Abtötung des Körpers und die Vereinigung von Geist und Seele in der unio mentalis und in der Aktiven Imagination C.G. Jungs

2.4 Die Lilie und die Wiederbelebung des toten Körpers in der unio corporalis

2.5 Die Lilie als Körperseele und Quintessenz

2.6 Das Eros-Bewusstsein, das Eros-Selbst und die Körperzentrierte Imagination

2.7 C.G. Jungs Vision von Salome und der Schlange als Vorbild für die Körperzentrierte Imagination

2.8 Die Zahl Sechs, der Kreis, der Absturz des männlichen Gottes in den Uterus der Göttin und das doppeltrinitarische Gottesbild

2.9 Das doppeltrinitarische Gottesbild als Lösung des christlichen und des alchemistischen Konflikts

2.10 Das Pferd, die transformierbare instinktive Energie und die Erlösung der Körperseele aus dem eigenen Bauch

2.11 Der Fortschritt von der unio mentalis zur unio corporalis

2.12 Die zweite Hypothese: Die Integration des Eros ermöglicht die Extraktion der Körperseele aus dem physischen Körper auf dem Hintergrund des doppeltrinitarischen Gottesbildes


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2.9 Das doppeltrinitarische Gottesbild als Lösung des christlichen und des alchemistischen Konflikts  

Die Lilie wächst in der Vision aus Niklaus von Flües Mund. Ihm dürften die Darstellungen des apokalyptischen Men­schensohnes, dem eine Lilie (statt des Schwertes) aus dem Mund herauswächst, bekannt gewesen sein[1]. Das durch die Lilien­vision symbolisierte Geschehen kann deshalb mit der apokalypti­schen Endzeit, in der wir uns heute befinden, in einen Zusam­men­hang ge­bracht werden. Paulis Ansicht in Brief [30], dass dem Schweizer Mystiker die Vision vom erschreckenden Gottesantlitz „wie ein Weltuntergang“[2] vorgekommen sein muss, bestätigt sich also in dieser Symbolik.

Da Niklaus sehr viel über die christliche Trinität medi­tierte, müssen wir den (christlichen) Himmel natürlich mit die­ser verbinden. Es scheint somit, dass die von den Kirchenvätern defi­nierte Trinität höchstpersönlich das neue Gottesbild aus dem Mund Niklausens abwehrt. In diesem Teil der Vision zeigt sich der schreckliche Konflikt in der Seele dieses einfachen Schweizer Bau­ern: Ein neues Symbol des Gottesbildes hat sich in ihm inkarniert, doch wird es vom alten zurückgewiesen.  

Das Motiv der Umkehr der Lilie im Himmel lässt jedoch noch eine weitere Deutung zu. Wie wir gesehen haben, bedeutet das Resultat der neuplatonischen Alchemie, die Extraktion des Geistes aus der Materie, die unio mentalis des Dorneus, den Aufbau einer “Geist-Seele”, die auch als der “Himmel” bezeichnet wird. Ich habe diese Prozedur als den Aufbau des Logos-Bewusstsein aus dem Selbst C.G. Jungs, dem geistig-psychischen Hintergrund eines derartigen Bewusstseins, gedeutet. Die Umkehr des Siegels Salomos im Himmel heisst daher auch, dass das mit dem göttlichen Logos identifizierte Bewusstsein nicht fähig sein wird, mit dem erneuerten Gottesbild in eine Beziehung zu treten. Die Transformation vom Logos zum Eros-Bewusstsein ist somit unabdingbare Bedingung dafür, dass eine Beziehung zum erneuerten Gottesbild aufgebaut werden kann. Nur das Eros-Bewusstsein ist befähigt, das Eros-Selbst zu erfahren.  

Dieser Umstand bedeutet Zeitgeschichte der nahen Zukunft. Sie zeigt sich meines Erachtens in der seit der Zündung der ersten Atombombe mit exponentieller Rate zunehmenden Zahl der UFO-Nahbegegnungen und Entführungen, in denen gemäss meinen Beobachtungen tatsächlich eine – allerdings unbewusste – Transformation des Logos-Bewusstseins in das Eros-Bewusstsein stattfindet[3].  

In meinem Buch Die Gottsucher habe ich gezeigt, dass der Prozess der Defini­tion des Gottesbildes bei den Kirchenvätern vorzeitig ab­brach, weil sie noch nicht sehen konnten, dass das Dritte zwar quantitativ gesehen der Zahl Drei ent­spricht, quali­tativ jedoch immer auch eine ambivalente Zweiheit darstellt. Ich habe weiter dargelegt, dass die Lösung dieses Para­doxons – die zugleich die Lösung des uralten alchemistischen Axioms der Maria Prophetissa[4] darstellt – nur  möglich ist, wenn man ein Viertes des Got­tesbildes defi­niert, welches eine dop­peltrinitarische Struktur be­sitzt. Dieses Vierte des Gottesbildes ist symbolisch im Bild der Lilie darge­stellt. Der unsägliche Konflikt des Niklaus von Flüe besteht somit religionspsychologisch gesehen darin, dass sich in ihm unbe­wusst die Vervollständigung der Defini­tion des Gottesbildes vorbe­reitete, welche den Kirchenvätern noch nicht gelingen konnte.  

Auch die Alchemisten – viele von ihnen waren Priester – waren noch nicht in der Lage, die Vereinigung der beiden Trinitäten in ein einziges Gottesbild zu vollziehen[5], weil ihr Bewusstsein weiterhin an die rein männliche christli­che Trini­tät von Gott Vater, Gott Sohn und Heiligem Geist glaubte. Dieser stand nun die alchemistische Antitrinität von Sulphur, Sal und Mercurius gegenüber, wobei jedoch dem weiblichen Prinzip des Sal, des Salzes, kein Gegenpart in der christlichen Trinität entsprach. So bleibt denn bis heute das Siegel Salomos das Symbol eines Konfliktes in der Seele des christlichen Menschen.  

Ich habe daher in meinen Gottsuchern vorgeschlagen, die alchemistische Trinität in einer modernen Sprache als die instinktive Triade von Aggression, Exploration und Sexualität zu deuten, da diese drei Instinkte die Basis der menschlichen Triebsphäre ausmachen. Ihr gegenüber postuliere ich eine erneuerte obere Trinität, die den Prinzipien des Logos, der Meditation und des Eros entspricht (vgl. Abb. rechts). Das erneuerte Gottesbild würde sich dann als Siegel Salomos präsentieren, in dem sowohl die untere, instinktive Trinität, als auch die obere der drei geistig-seelischen Prinzipien enthalten sind.  

Auch in Bezug auf dieses Problem verdanken wir Wolfgang Pauli eine äusserst anregende Idee. In seiner Diskussion mit seiner jüdischen Gesprächspartnerin Aniela Jaffé hat er sich nämlich intensiv mit der Symbolik des Siegels Salomos beschäftigt und vermutete sogar, “daß das so komplexe Phänomen des Antisemitismus … mit der seelischen Geschichte der unteren Triade [des Siegels Salomos; RFR] verknüpft ist.”[6]  

Der Physiker postuliert hier eine Hypothese, deren genauere Abklärung sich sehr lohnen würde. Akzeptiert man mein Postulat, dass die untere Triade den drei Instinkten Aggression, Exploration und Sexualität entspricht, würde daraus folgen, dass “die seelische Geschichte der unteren Triade” eben ganz wesentlich deren Verdrängung bedeutet. Ein psychologisches Gesetz besagt jedoch, dass jede Verdrängung automatisch zu einer dem Bewusstsein unbewussten Projektion führt. Das christliche Welt- und Gottesbild zeichnet sich aber eben dadurch aus, dass das Körperliche und damit die Instinktwelt extrem verdrängt wurden und noch immer werden. Minderheiten wie eben beispielsweise die Juden eignen sich dann sehr gut dazu, den negativen Aspekt dieser in den kollektiven Schatten verdrängten Instinkte auf sie zu projizieren. Die entscheidende Erkenntnis, dass deren Inhalte eigentlich die prima materia sowohl für die Extraktionen neuer geistig-psychischer Erkenntnisse als auch der Körperseele (des Hauchkörpers, Astralkörpers) sein könnten, ist so nicht möglich.  

Auf diesem Hintergrund muss auch die anhaltende Diskussion um C.G. Jungs angeblichen Antisemitismus gesehen werden. Seine Unvermögen, das Siegel Salomos als der Quaternität ebenbürtig anzuerkennen, könnte bedeuten, dass in seiner Seele eben doch ein latenter Antisemitismus vorhanden war, dessen eigentliche Wurzel aber letztlich ein Widerstand gegen die Anerkennung des Eros-Archetypus hinter seinem Logos-Selbst, des Siegels Salomos hinter der Quaternität ist. Auch wenn der Begründer der Analytischen Psychologie in seinem Bewusstsein sicher kein Antisemit war, wäre es demnach sein Festhalten an der Quaternität, die derartige antisemitische Tendenzen fördert. Die Entwicklung bei den Jungianern seit seinem Tod zeigt jedenfalls, dass derartige Schlüsse nicht von der Hand zu weisen sind.  

Ganz anders jedoch die Entwicklung im Mystiker Niklaus von Flüe. In ihm bereitete sich schon vor mehr als 500 Jahren eine Lösung des christlich-jüdischen Problems vor. In einer weiteren Vision wird ihm nämlich nahegelegt, die christliche Trinität durch eine solche von Vater, Mutter und Sohn zu ersetzen – eine Tatsache, wel­che die katholische Kirche auch heute noch vehement abwehrt und als Häresie erklärt. Eine derartige Symmetrie zwischen einer obe­ren und einer unteren weiblichen Gottheit, die durch den Einbezug eines oberen Weiblich-Göttlichen geschaffen wird, stellt aber eine wesentliche Vor­aussetzung eines erneuerten, doppeltrinitarischen Gottes­bildes dar. Dies wie­derum heisst aber nichts weniger, als dass darin auch die Trini­tät der Kirchenväter durch eine neuartige er­setzt werden muss, in der auch das weiblich-göttliche Prinzip aufgenommen worden ist. Mein Postulat einer erneuerten oberen „Trinität“ der Prinzipien des Logos, des Eros und der Meditation als Komplement zu deren instinktiven Aspekten, der Aggression, der Sexualität und des Entdeckertriebes (Exploration), beruht letztlich auf diesem archetypischen Hintergrund der Visionen des Niklaus von Flüe.


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See also further articles about Wolfgang Pauli in

http://www.psychovision.ch/rfr/roth_e.htm

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 10. März 2005