Praxis für Alternative
Psychosomatik und Traumdeutung, Dr. Remo F. Roth, CH-8001
Zürich
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Remo F. Roth
Dr. oec. publ., Ph.D.
dipl. analyt. Psychologe
(M.-L. v. Franz)
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Pro Litteris, Zurich, Switzerland and Remo F. Roth, Horgen-Zurich. All Rights
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Pauli-Effekt
Wolfgang Pauli und die Wiederkehr
der Weltseele
[erweiterte Fassung vom
15.2.2002]
1. Die Weltseele
in der Naturphilosophie und in den Weltreligionen
2. Die
Verdrängung der Weltseele im 17. Jahrhundert und deren
Wiederkehr im Pauli-Effekt
3. Die
Unvollständigkeit der Quantenphysik in Bezug auf die Beobachtung
des Einzelfalles
4. Die "schwarze
Messe" des quantenphysikalischen Experimentes und deren
"Nacheffekte"
5. Ein
möglicher Weg zu einer neuen Geschlossenheit des
Weltbildes
Wolfgang Pauli und die Wiederkehr
der Weltseele
[erweiterte Fassung vom
15.2.2002]
1.
Die Weltseele in der Naturphilosophie und in den
Weltreligionen
Es dürfte den Wenigsten bekannt sein,
dass der Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli sich
während fast 30 Jahren seines Lebens, vom Jahr 1930 bis zu
seinem frühen Tod im Jahr 1958, intensiv mit Phänomenen
auseinander gesetzt hat, die den meisten heutigen Physikern
"esoterisch" oder "metaphysisch" erscheinen würden. Ein solches
Phänomen ist die so genannte
Weltseele (vgl.
dazu Die
alchemistische Weltseele, das kollektive Unbewusste C.G. Jungs und
die Konzepte der modernen Physik) der mittelalterlichen
Alchemie.
Dieses
Prinzip der Weltseele findet sich vor allem bei Paracelsus. Dort ist
sie - eine ungeheuerliche Häresie des alchemistischen Arztes -
co-aetern (gleich ewig) mit dem christlichen Gott und daher ein
increatum (ein Ungeschaffenes). Dies heisst speziell,
dass sie ein dem christlich-männlichen Gott ebenbürtiges
weiblich-göttliches Prinzip darstellt.
Die Weltseele spielt aber auch im alten
Testament als Sophia oder Sapientia Dei eine grosse Rolle, in der
Kabbalah erscheint sie als die sogenannte Schechina, welche jedoch
ins Exil verbannt wurde. Im Katholizismus besitzt die Gottesmutter
Maria gewisse Eigenschaften der Weltseele, kann deren umfassendes
Wesen allerdings bei weitem nicht ausfüllen. Im Hinduismus
kennen wir sie als den weiblichen Aspekt der Trimurti (Trinität)
Brahma, Vishnu und Shiva, als deren Shakti.
Diese wenigen Beispiele zeigen, dass es sich
bei der Weltseele um ein kosmisches Prinzip handelt, das eigentlich
universal vorhanden ist. Doch kam Wolfgang Pauli, der über eine
klassische Bildung verfügte und die alchemistischen Texte im
Original lesen konnte, zum Schluss, dass im Laufe der Entwicklung der
westlichen Naturwissenschaft dieses Prinzip ins Unbewusste versank.
Er bemühte sich daher herauszufinden, wie dieser Prozess
vonstatten gehen konnte.
2.
Die Verdrängung der Weltseele im 17. Jahrhundert und deren
Wiederkehr im Pauli-Effekt
Ursprung dieses Bemühens war nicht in
erster Linie ein wissenschaftshistorisches Interesse, sondern ein
Phänomen, das als der so genannte
Pauli-Effekt in die Geschichte der Physik
eingegangen ist. Wie viele seiner Kollegen bestätigen, ging von
Pauli eine geheimnisvolle Aura aus. Dies zeigte sich auch in
seltsamen parapsychologischen Ereignissen, an die Pauli selbst
glaubte, und die wir heute als Makro-Psychokinese oder als
Psychokinese statischer Objekte (oder personengebundenen Spuk)
bezeichnen würden. So sass er beispielsweise im damals
berühmten Café Odeon in Zürich am Fenster und
grübelte über die Probleme mit seiner Gefühlswelt
nach. In diesem Augenblick fing vor seinen Augen ein Auto Feuer (tiefenpsychologisch ein Symbol für "Emotion", "Affekt"). Als im
Jahr 1948 das Zürcher C.G. Jung-Institut eingeweiht wurde, war
Pauli als Gründungsmitglied ("Patron") eingeladen. Als er den
Raum betrat, fiel aus unerklärlichen Gründen ohne
äussere Einwirkung eine chinesische Vase zu Boden (vgl. dazu Wolfgang
Paulis psychophysischer Monismus und Wolfgang
Pauli's Fludd/flood Synchronicity).
Sein Kollege Otto Stern verbot ihm sein Hamburger Labor, weil bei
einer Anwesenheit Paulis die meisten Experimente aus
unerklärlichen Gründen missglückten. Als in
Göttingen wieder einmal ein Experiment trotz der Abwesenheit des
Störenfriedes "in die Hosen ging", ging man der Sache auf den
Grund und fand heraus, dass genau zum Zeitpunkt dieses Experiments
Pauli auf dem Weg nach Kopenhagen mit dem Zug an Göttingen
vorbeigefahren war. Aber auch den Brand im Zyklotron von Princeton in
der Nacht vom 21. zum 22. Februar 1950 brachte Pauli mit der
Anwesenheit seiner Person in Verbindung.
Im Jahr 1996 wurde der erste Teil des vierten
Bandes des Wissenschaftlichen Briefwechsels Wolfgang Paulis
publiziert. Dort drin findet sich ein Brief vom 13. Oktober 1951 an
seinen Zürcher Kollegen Markus Fierz, mit dem er in einem regen
Briefwechsel viele seiner Ideen über Erkenntnistheorie,
Tiefenpsychologie und Metaphysik und deren Zusammenhang mit der
Quantenphysik formulierte. Dieser Brief fasst wesentliche Gedanken
Wolfgang Paulis über die von mir so genannte "Wiederkehr der
Weltseele" zusammen. Er bildet daher ein einzigartiges Dokument
für den Nachweis, dass Pauli den nach ihm benannten
parapsychologischen Effekt mit der Rückkehr eines seit bald 400
Jahren verdrängten Prinzips in Verbindung brachte, das
m.E. in der allernächsten Zukunft die Fundamente der modernen
Physik erschüttern dürfte.
Im folgenden möchte ich daher die
Gedanken Wolfgang Paulis darlegen und sie weiter ausdeuten. In
Ergänzung zu K.V. Laurikainens Ausführungen
[Laurikainen, 1988], die vor allem auf Paulis
erkenntnistheoretische Schlüsse eingehen, sollen hier einige
tiefenpsychologische und parapsychologische Folgerungen
erläutert werden. Letzere erscheinen mir deshalb wichtig, weil
Pauli selbst noch zur Einsicht gekommen war, dass die moderne Physik
mit der Parapsychologie verschmolzen werden muss, um die heute
konstellierte Wiederkehr der Weltseele adäquat zu erfassen (vgl.
dazu Wolfgang
Pauli und die Parapsychologie). Es
wird sich zeigen, dass bei einer derartigen Betrachtungsweise die
Rolle des Individuums ganz zentral wird, weshalb am Ende einige
hypothetische Schlüsse über zu erwartende Auswirkungen auf
die individuelle Psyche und mögliche Lösungsansätze
erarbeitet werden sollen.
Pauli schreibt im Brief an Fierz, dass im
Neuplatonismus der Renaissance die anima mundi, die Weltseele,
ein ganz wesentliches Prinzip darstellte. Jeder Planet habe damals
noch eine Einzelseele besessen. Doch stelle sich hier die Frage nach
dem Prinzip von deren Beziehung. Diese Beziehung sei seelischer Art
gewesen, nämlich eben mit Hilfe der anima mundi, "an der
ja die Einzelseelen teil haben". Doch sofort macht Pauli nun eine
äusserst wichtige Einschränkung. Er bemerkt: "Ich sehe
Herrn Fludd vor mir, wie er bei dem Wort Teil' sofort die
Stirne runzelt." Daher schlägt er vor, statt des Ausdrucks "die
Einzelseelen haben an der Weltseele teil" besser den Ausdruck "die
Einzelseelen sind mit der Weltseele identisch" zu verwenden.
Obwohl Pauli dies nicht explizit ausspricht,
sieht man doch, dass er der Meinung ist, dass es eben diese
Identität von Teil und Ganzem ist, die der Weltseele die
Fähigkeit verleiht, mit Hilfe des ihr inhärenten Prinzips
der anima movens' die Bewegung der Planeten am Himmel zu
erzeugen, die jeder Mensch wahrnehmen konnte.
Wie der Nobelpreisträger weiter
ausführt, ergab sich im 17. Jahrhundert nun plötzlich eine
unbewusste Wandlung im Hintergrund des damaligen Weltbildes,
"die anima mundi kam aus
der Mode, diese Idee verblasste ... Und eben durch die so
entstandene Lücke drang Proportion, Geometrie, Mathematik in
die Ideen über die Bewegung ein und drängte zur Empirie,
zur Messung."
Obwohl sich heute die Diskussion um den
sogenannten Holismus dieser speziellen Art der Verbundenheit zwischen
Teil und Ganzem bemächtigt hat, ist der Nexus dieses
Phänomens und vor allem sein Zusammenhang mit der Einstellung
des Bewusstseins noch weitgehend ungeklärt. Daher dürfte es
sich lohnen, die von Pauli geahnte Wandlung des Kollektivbewusstseins
aus tiefenpsychologischer Sicht zu untersuchen.
Während im Mittelalter die Weltseele als
weiblich-göttlicher Hintergrund die Ordnung in der Natur durch
ein Prinzip der Identität von Teil und Ganzem herstellte, die
hinter jenem der Bewegung und damit der Veränderung stand und
der von Paracelsus eingeführten
Mikrokosmos-Makrokosmos-Beziehung sehr ähnlich war, wird nun die
Aufmerksamkeit auf das Teil (den einzelnen Planeten) gerichtet. Das
Band zwischen diesen Teilen und damit auch das Ganze, die Weltseele,
werden überflüssig. Zudem bekommt mit den von Johannes
Kepler (1571 - 1630) entdecken Gesetzen der Planetenbewegungen das
Bewusstsein des Menschen die Möglichkeit, die Bahnen dieser
Planeten zu berechnen. Eine ganz zentrale Fähigkeit der anima
movens, die bis jetzt im Bereich des Göttlichen, modern
gesagt im Bereich des kollektiven Unbewussten geschlummert hat, kommt
nun in den Bereich des Bewusstseins. War es bis anhin die
"innere Bewegtheit" des mystischen Einheitserlebnisses, die mit dem
Prinzip der anima movens, der Bewegungsfähigkeit der
weiblich-göttlichen Weltseele verschmolzen war, ist es von nun
an das mathematische Gesetz, somit letztlich das Unbewegte, das die
Bewegung mit Hilfe der neu erfundenen Infinitesimalrechnung
beschreibt; die Welt der kausalen Naturgesetze, in der, von
der ursächlichen Anfangsbedingungen ausgehend, jede Wirkung
exakt bestimmt ist, war geboren.
Mit Isaac Newtons Mechanik erlernt die
Menschheit dann auch die Gesetze, die es ihr ermöglichten, nicht
nur die Regeln der Planetenbahnen zu verstehen, sondern die
Anfangsbedingungen solcher Regeln selber zu setzen und so als homo
faber eigene "Geschöpfe" ins Leben zu rufen, die nach diesen
Regeln funktionieren. Damit wurde die anima movens, die
Bewegungsfähigkeit der göttlichen Weltseele, endgültig
ihrer Göttlichkeit beraubt und durch die Bewegungsgleichungen
(die Differentialgleichungen der Infinitesimalrechnung) ersetzt. In
diesem Moment wurde somit eine bisher dem Gottesbild zugehörige
mächtige Eigenschaft, nämlich die Möglichkeit Bewegung
zu erzeugen, dem bewussten Willen des Menschen
zugänglich. Das mechanistische Weltbild war geboren, in dem eine
göttliche, das heisst, vom menschlichen Willen
unabhängige Weltseele keine Rolle mehr spielen konnte,
da ja alle Abläufe durch das menschliche Bewusstsein berechenbar
geworden waren und daher keines weiblich-göttlichen Prinzips
mehr bedurften, das sie durch eine spezifische Art der Bezogenheit
steuerte, in der Teil und Ganzes noch eine Einheit und Materie und
Psyche in dieser Einheit vereinigt waren.
In seinem Brief weist Pauli nun darauf hin,
dass diese Entseelung der Materie auch zur Idee des absoluten Raumes
(Newton) führte. In einem solchen "entseelten Raum" war aber
auch die Beziehung der Seele zur Materie nicht mehr definiert. Daher
wurde diese Beziehung "ein besonderes Problem, das im
Dämmerlicht des [RFR: psychophysischen] 'Parallelismus'
verschwand".
Auf diesen "im Anschluss an Leibnitz und
Spinoza ausgebildete Begriff des [psychophysischen]
Parallelismus" kommt Pauli in seinen Briefen immer wieder zu
sprechen. Später nennt er ihn einen "geistigen Nebelflecken", da
er bei der Gültigkeit des kausalen Prinzips völlig
überflüssig sei. Die Beziehung zwischen Psyche und Materie
müsse man daher viel eher im Sinne von Jungs
Synchronizitätsprinzip (vgl. Einführung
in das Synchronizitätsprinzip C.G. Jungs)
sehen.
Doch kehren wir zurück zum Brief an
Markus Fierz. Pauli meint nun, dass man bei der Vetreibung der
Weltseele im 17. Jahrhundert offenbar zu weit gegangen sei. Darunter
begännen wir nun zu leiden. Von da her kämen "revenues"
(Wiedergänger) der anima mundi, "die mich nachts, und
zuweilen auch tags, verfolgen". Wie ein späterer Brief an Fierz
ausweist, meint Pauli mit der nächtlichen Verfolgerin eine
weibliche Traumfigur, eine "Chinesin mit Schlitzaugen", die die
"Trägerin 'psycho-physischer Geheimnisse' betreffend der Einheit
von Physis und Psyche im allgemeinen, parapsychologischer im
besonderen" sein soll. Ja, sie sei sogar "bereits jene Einheit von
Materie und Psyche, die für unsere Wissenschaft das
ungelöste psycho-physische Problem ausmacht."
Diese Chinesin spielt eine ganz zentrale Rolle
in Paulis Träumen. In einem Traum, den Pauli fast ein Jahr (am
29.9.52) nach dem Brief an Fierz träumt und den er sowohl
Marie-Louise von Franz und C.G. Jung zur Deutung vorlegt, verursacht
diese Chinesin beispielsweise durch einen oszillativen Tanz eine
magische" Kontraktion und eine Rotation des Raumes. Wenn wir
annehmen, dass Träume die bewusste Haltung kompensieren,
können wir schliessen, dass diese Chinesin der ins Unbewusste
abgedrängten Weltseele entspricht, die Pauli zeigen will, dass
sie offensichtlich parapsychologische Fähigkeiten besitzt, mit
deren Hilfe sie den Raumbegriff der Physik ausschalten und durch
einen solchen ersetzen kann, der auf die Länge Null reduziert
und zudem mit der Rotation verbunden ist (vgl. dazu
Radioaktivität
und Synchronizität im
Pauli/Jung-Briefwechsel). Eben
solche, in ihren Einzelheiten heute noch unverstandene
parapsychologische Zusammenhänge stehen auch hinter dem
Pauli-Effekt. Und eben dieses psychokinetische Phänomen meint
Pauli in der obigen Briefstelle von der Verfolgung durch die
"revenues" der Weltseele während des Tages.
3.
Die Unvollständigkeit der Quantenphysik in Bezug auf die
Beobachtung des Einzelfalles
Im Brief an Fierz kommt Pauli nun auf das
Problem des Wirkungsquantums (s.u.) zu sprechen. Er meint, dass eben
dieses bewirke, dass man
"das Einmalige und den
'Sinn' desselben opfern [muss], um eine objektive und
rationale Beschreibung der Phänomene zu retten. Wenn zwei
Beobachter dasselbe tun, ist es wirklich auch physikalisch nicht
mehr dasselbe; nur die statistischen Durchschnitte bleiben im
allgemeinen dieselben. Das physikalisch Einmalige ist vom
Beobachter nicht mehr abtrennbar - und geht der Physik deshalb
durch die Maschen ihres Netzes. Der Einzelfall ist occasio und
nicht causa. Ich bin geneigt, in dieser 'occasio' - die den
Beobachter und die von ihm getroffene Wahl der Versuchsanordnung
mit einschliesst - ein "revenue" der im 17. Jahrhundert
abgedrängten anima mundi (natürlich in 'verwandelter
Gestalt') zu erblicken. La donna è mobile - auch die anima
mundi und die occasio."
Diese Briefstelle Paulis bedarf einer
längeren Erklärung. Wir müssen uns zuerst mit dem
Begriff des Wirkungsquantums in der Physik beschäftigen. Dieses
geht auf Max Planck zurück, der zu seinem grössten
Erstaunen feststellen musste, dass Licht nicht kontinuierlich sondern
diskret abgestrahlt wird. Dies bedeutet, dass es eine kleinste
Einheit gibt, die nicht unterschritten werden kann, das so genannte
Plancksche Wirkungsquantum. Diese physikalische Tatsache führt
dazu, dass Einzelbeobachtungen in der Quantenphysik bei ihrer
Wiederholung trotz identischer Versuchsbedingungen nicht mehr zum
gleichen Resultat führen.
Als Laie möge man sich dieses
quantenmechanische Paradox, auf die makrophysikalische Welt
übertragen, folgendermassen vorstellen: Man misst einen Menschen
mit dem Meter. Bei der ersten Messung misst man 172 cm, bei der
zweiten jedoch 185. Ein zweiter Massnehmer misst wieder einen anderen
Wert, z.B. 165 cm. Es werden nun sehr viele Messungen nötig, die
jede im Prinzip einen anderen Wert ergibt. Daher muss man, um die
Grösse des betreffenden Menschen zu messen, den Durchschnitt aus
all diesen Messungen nehmen. Dieser statistische Durchschnitt
würde dann bei einer Wiederholung der Messreihe ungefähr
gleich bleiben. Man nennt dieses Phänomen - das im
makrophysikalischen Fall natürlich völlig unsinnig ist,
jedoch der Veranschaulichung des mikrophysikalischen Prozesse dienen
soll - das Messproblem der Quantenphysik. Da die Ausgangsbedingungen
der einzelnen Messungen immer gleich sind, müsste nach den
Gesetzen der Newtonschen Physik auch immer dasselbe Resultat
herauskommen. Dies ist eine logische Folgerung des kausalen
mathematischen Gesetzes, das besagt, dass gleiche Anfangsbedingungen
zum selben Resultat führen werden. Da aber immer andere,
verschiedene Messresultate gemessen werden, derselbe Ausgangszustand
also zu verschiedenen Resultaten führt, wird dieses
mikrophysikalische Geschehen akausal, d.h. ursachelos. Erst eine
meist aus tausenden von Messungen bestehende Messreihe liefert ein
einigermassen gesichertes Resultat, eine
Wahrscheinlichkeitsverteilung, die Pauli auch statistische
Korrespondenz nennt.
Die Quantenphysik beruht also auf einem
Naturgesetz, das nur statistisch gilt, d.h. es muss eine Unzahl von
Messungen gemacht werden, um ein Messresultat zu erhalten. Nur so ist
die "objektive und rationale Beschreibung der Phänomene"
gewährleistet. Um physikalische Objektivität zu erreichen,
das heisst, das Resultat reproduzierbar und so durch andere Physiker
nachprüfbar zu machen, ist es somit notwendig, die Beobachtung
des einmaligen Ereignisses zu opfern, das heisst aber zugleich, das
beobachtende Individuum auszuschalten. Doch ist, wie die
Ausführungen Paulis und auch das obige Beispiel zeigen, in der
Quantenphysik "das physikalisch Einmalige ... vom Beobachter nicht
mehr abtrennbar". Infolge der statistischen Betrachtungsweise geht es
"der Physik deshalb durch die Maschen ihres Netzes".
Die physikalische Beobachtung der
Quantenphysik ist also naturgemäss unvollständig. Infolge
ihrer statistischen Betrachtungsweise fehlt ihr die Beobachtung des
Einzelfalls und damit der Bezug zum Individuum. Diesen Einzelfall
sieht Pauli als "occasio" und nicht als "causa". Unter "occasio"
versteht er dabei den spontanen Zufall, denn es gibt kein
naturwissenschaftliches Gesetz, das diesen Einzelfall -
beispielsweise den Zerfall eines einzelnen radioaktiven
Atoms - beschreiben kann. Das Auftreten solcher spontaner
Einzelfälle, zu denen einerseits die (telepathische)
Synchronizität C.G. Jungs, andererseits der psychokinetische
Pauli-Effekt gehört, bezeichnet Pauli als "ein revenue'
der im 17. Jahrhundert abgedrängten anima mundi (natürlich
in 'verwandelter Gestalt')". Dass er damit eine unvorhersehbare,
spontane Zustandsänderung meint, zeigt auch die Aussage: "La
donna è mobile - auch die anima mundi und die occasio."
4.
Die "schwarze Messe" des quantenphysikalischen Experimentes und deren
"Nacheffekte"
Die Wiederkehr der
Weltseele
besteht gemäss Pauli
also im Phänomen, dass spontane Zufälle sich ereignen, die
weder durch ein physikalisches Experiment beobachtet noch durch eine
mathematische Theorie allgemein beschrieben werden können. Er
fährt nun mit der Aussage fort, dass die "occasio" die Wahl der
Versuchsanordnung einschliesse, mit anderen Worten, dass die Wahl der
Versuchsanordnung durch den physikalischen Beobachter
willkürlich sei (vgl. dazu auch die Briefe [1572] an v.
Franz, [1579] an Jung und [1657] an Kröner). Er
glaubt also, dass der Zufall und das Einmalige durch die Tatsache
berücksichtigt sind, dass die schliesslich gewählte
experimentelle Anordnung als Auswahl aus vielen potentiellen
Möglichkeiten geschieht. Derart verschiebt er aber den Einfluss
der anima mundi auf die Vorbereitungszeit des Experimentes, in
der der Forscher auf den kreativen Einfall aus dem kollektiven
Unbewussten wartet. Pauli übersieht dabei, dass eben durch die
willentliche Wahl von Ort und Zeit des Experimentes die
zeitliche und örtliche Zufälligkeit des Geschehens - der
zentrale Kern der Funktionsweise der Weltseele - ausgetrickst wird.
Mit dieser Verlegung des spontanen Zufalls in die Auswahl der
experimentellen Anordnung widerspricht er sich selber, denn er sieht
andererseits, dass der eigentliche Grund
für die Unbeobachtbarkeit des Einzelfalles im physikalischen
Experiment darin liegt, dass dieser Einzelfall, die "occasio",
völlig spontan (akausal, indeterministisch) auftritt und sich
eben deshalb einer Beobachtung mit Hilfe des physikalischen
Experimentes, das heisst, mit Hilfe einer willentlich in Raum
und Zeit festgelegten Prozedur entzieht.
Ein erneuter Einbezug der im 17. Jahrhundert
verdrängten Weltseele, den Pauli für eine moderne
Wissenschaft fordert, muss daher bei einer
Kritik des Prinzipes der
physikalischen Versuchsanordnung ansetzen. Grundlegende
Bedeutung für das wissenschaftliche Experiment besitzt das
Phänomen des Ereignisses. Ein solches kann prinzipiell entweder
spontan geschehen oder es kann mit Hilfe des bewussten Willens
erzeugt werden. Seit Galileo Galilei hat sich die Wissenschaft
entschlossen, den zweiten Weg zu wählen. Voraussetzung
naturwissenschaftlicher Erkenntnis ist also immer das
willentlich auf einen ganz bestimmten Raum- und
Zeitpunkt festgelegte Experiment. Wie ich oben erwähnt habe,
wird aber eben durch diese Festsetzung des Experimentes als
willentlicher Akt die Beobachtung der spezifischen Funktionsweise der
Weltseele verunmöglicht. Diese besteht in einem akausalen
Schöpfungsakt im Sinne einer creatio continua, und eben
ein solcher Schöpfungsakt ist daher im physikalischen Experiment
unbeobachtbar.
Ganz allgemein kann man aus den obigen
Ausführungen schliessen, dass die notwendige Voraussetzung
für die Beobachtung der "occasio", des spontanen Zufalls, darin
besteht, das Prinzip des physikalischen epistemiologischen
Bemühens, nämlich das in Raum und Zeit willentlich
festgelegte Experiment, aufzugeben. Eine solche Zäsur wird die
physikalische Wissenschaft jedoch in ihrem Lebensnerv treffen. Daher
erklärt sich auch der Widerstand so vieler Physiker gegen die
logische Fortsetzung der Gedanken Wolfgang Paulis. Doch wird nur
durch dieses Opfer des wissenschaftlichen Bewusstseins eine
Beobachtung des einmaligen Zufalls und damit des akausalen
Schöpfungsaktes möglich. Auf ein solches Ereignis muss der
"erneuerte Experimentator" allerdings vielleicht ein Leben lang
erfolglos warten - eine totale Niederlage des bewussten
Forscherwillens!
Im späteren Verlauf des Briefwechsels
mit Markus Fierz hat Wolfgang Pauli eben diese Frage nach dem
Beobachtungsmodus der Physik intensiv beschäftigt. Er
vermutet fast drei Jahre (im August 1954) nach dem oben zitierten
Brief vom Oktober 1951, dass
wir die Materie,
z.B. im Sinne des Lebens betrachtet, nicht richtig
behandeln, wenn wir sie so beobachten, wie wir es in der
Quantenphysik tun, nämlich vom inneren Zustand des
Beobachters dabei ganz absehend."
Er geht nun aber noch einen entscheidenden
Schritt weiter und zieht daraus den folgenschweren Schluss:
Es kommt mir so vor,
wie wenn die nicht beobachteten Nacheffekte der
Beobachtung dann doch eintreten würden (als Atombomben,
allgemeine Angst, Fall Oppenheimer z.B. etc.), aber in
einer unerwünschten Form."
Und er schliesst mit einer Bemerkung
über die Unvollständigkeit der Quantenmechanik, die heute
von grösster Aktualität ist:
"Die berühmte
Unvollständigkeit der Quantenmechanik (Einstein)
ist doch irgendwie - irgendwo tatsächlich vorhanden, sie ist
natürlich gar nicht behebbar durch Rückkehr zur
klassischen Feldphysik (das ist nur ein neurotisches
Missverständnis Einsteins), hat vielmehr zu tun mit
ganzheitlichen Beziehungen zwischen Innen und
Aussen, welche die heutige Naturwissenschaft nicht
enthält (die aber die Alchemie vorausgeahnt hat und die sich
auch in meiner Traumsymbolik nachweisen lässt, von der ich
meine, dass sie gerade die eines heutigen Physikers
charakterisiert)."
Anschliessend meint der Mitbegründer der
Quantenphysik, dass er mit diesen Gedankengängen an die Grenze
des heute Erkennbaren angekommen sei und sich sogar "der 'Magie'
genähert" habe. Der Akt der Beobachtung in der Quantenphysik
erscheine einem wie eine
'schwarze Messe' ...
nach welcher die misshandelte Materie, indirekt
sich rächend, ihre Gegenwirkung gegen den
'Beobachter' als 'hinten hinausgehender Schuss' manifestiert."
[vgl. dazu auch Anm. 1), unten]
Diese tiefsten Gedanken Paulis gipfeln dann
in der sich auf Schopenhauer abstützenden Feststellung, dass es
ausser dem
nexus physicus ... noch eine andere Verbindung
zwischen den Erscheinungen dieser Welt [gibt], eine
durch das Wesen an sich aller Dinge gehende,
gleichsam eine unterirdische Verbindung, den
nexus metaphysicus".
Diese wäre dann, wieder in Anlehnung an
Schopenhauer,
ein
unmittelbares Wirken vom Wesen der Dinge an sich, also vom Inneren
auf die Natur, während das Kausalgesetz bloss das
Band der Erscheinungen' sei."
Pauli übersetzt dann diese
Schopenhauerschen Begriffe noch in die Sprache C.G. Jungs. Das
Wesen der Dinge an sich" würde so zu kollektives
Unbewusstes", der Schopenhauersche Wille" zu der einem
energetischen Gefälle folgende Strom der Archetypen" und
metaphysicus" zu psychologicus".
Setzt man diese Jungschen Begriffe in den
obigen Kontext ein, ergibt sich folgende Hypothese: Diese
unterirdische Verbindung" erfolgt über das kollektive
Unbewusste, mit dem Pauli zu jenem Zeitpunkt sicher den psychoiden
Archetypus (vgl. dazu Radioaktivität
und Synchronizität im
Pauli/Jung-Briefwechsel) meint, und
sie ist dem nexus psychologicus" beziehungsweise dem
nexus psychoidicus" verpflichtet. Mit Hilfe dieses neuartigen
Nexus wäre es gemäss Pauli also vielleicht möglich,
aus dem eigenen Inneren heraus, ohne eine äussere
Beeinflussung, direkt und unmittelbar auf die äussere Natur
einzuwirken. Dies sei aber nur möglich, wenn das Bewusstsein dem
Willen" folge, d.h. dem einem energetischen Gefälle
folgenden Strom der Archetypen in seiner Beziehung zum Bewusstsein".
Dieser Schopenhauersche Wille meint also nicht den bewussten
Willen, sondern einen vorbewussten Gegenwillen", der
gemäss Jung der Durchkreuzung unseres bewussten Willens"
dient.
Mit dieser aus Wolfgang Paulis Gedanken
abgeleiteten Hypothese sind wir zum Kern des Problems vorgestossen.
Offensichtlich hatte er - sicher durch das Erlebnis des
psychokinetischen Pauli-Effektes gefördert - schon geahnt, dass
die Haltung der Naturwissenschaft, die ganz wesentlich den bewussten
Willen in den Vordergrund stellt, einmal durch einen archetypischen
Prozess kompensiert werden wird, der diesen bewussten Willen der
naturwissenschaftlichen Epistemiologie durchkreuzt. Es stellt sich
daher einerseits die Frage, worin ein solches kompensierendes
Geschehen bestehen könnte, und andererseits, wie wir ihm mit
einer neuen bewussten Haltung begegnen können, um dessen
destruktive Auswirkungen möglichst zu vermeiden.
Die Beantwortung dieser beiden Fragen soll im
letzten Abschnitt geschehen. Dabei wollen wir berücksichtigen,
dass uns Wolfgang Pauli in seinen letzten Lebensjahren in eine
gewisse Richtung gewiesen hat. Er meint im oben zitierten Brief an
Fierz, dass der "Wille" Schopenhauers, den er sich, wie wir gesehen
haben, als einen vom bewussten Willen unabhängigen,
energetischen Strom im kollektiven Unbewussten (oder im unus
mundus) vorstellte, Raum und Zeit durchbrechen könne. In
einem weiteren Brief an Fierz, der zwei Tage nach dem oben zitierten
folgte, betont er, dass im Gegensatz zur Auffassung des
"naturwissenschaftlichen 'Klassizismus'" - damit ist Einsteins
Relativitätstheorie gemeint - die Begriffe von Raum und
Zeit mit dem Bewusstsein verbunden sind. Die neue bewusste
Haltung dürfte daher darin bestehen, in eine veränderte Art
und Weise des Raum- und Zeiterlebnisses hineinzufinden. Ich habe
dieses erneuerte Bewusstsein a.a.O. als Eros-Bewusstsein
bezeichnet, das das heute allein anerkannte Logos-Bewusstsein
kompensatorisch ergänzt. Obwohl es Pauli nicht mehr
vergönnt war, zu diesem erneuerten Bewusstsein vorstossen zu
können, hat er doch schon geahnt, dass "eine ganz andere Art des
Experimentierens" nötig sein wird, um zu erreichen "dass
der Schuss nicht hinten herausgeht". Dazu sei allerdings eine
Anstrengung nötig, die ebensoviel kosten werde, wie die
Entwicklung der Physik in den letzten 300 Jahren
[ebd.].
Meines Erachtens heisst diese Aussage
Wolfgang Paulis, dass wir ein Gegengewicht zur Misshandlung der
Materie in der "schwarzen Messe", nämlich zu dem oben
dargestellten willensbetonten Beobachtungsmodus des
quantenphysikalischen Experimentes schaffen müssen. Dieses
Gegengewicht entspricht dem von mir definierten Eros-Bewusstsein, und
nur dieses ist in der Lage, in einem veränderten Zustand, in dem
Raum und Zeit völlig neuartig erlebt werden, auf dem Hintergrund
einer psychophysischen Nichtlokalität (s.u.) Schöpfungsakte
aus dem unus mundus wahrzunehmen, die die befürchtete
Rache der misshandelten Materie kompensieren werden.
In einer Postkarte, die Pauli um diese Zeit
an Aniela Jaffé schreibt, kommt er auf die Bemerkung über
die schwarze Messe im Brief an Fierz zurück. Er erkennt nun,
dass der Beobachtungsakt der Quantenphysik eine "schwarze
'Messungs-Messe'" darstellt und dass diese schockierende Einsicht in
ihm ein "merkwürdiges Gefühlserlebnis" auslöst,
nämlich "Reue gegenüber der Materie, die mir dabei
wie ein malträtiertes Lebewesen erschien" [kursive
Setzung durch RFR]. Diese Äusserung zeigt, dass der
"zynische, kalte Teufel" (Pauli über sich selbst) sich vier
Jahre vor seinem Tod in einen Menschen gewandelt hatte, der mit Hilfe
seines Gefühls am Sinn der Quantenphysik zu zweifeln begann. Die
bewusste Erkenntnis der Notwendigkeit des oben erwähnten
"erneuerten Beobachters", der in einem zutiefst introvertierten
Zustand eine mögliche Kompensation zur "schwarzen
Messungs-Messe", nämlich einen eigentlichen Schöpfungsakt
aus dem unus mundus beobachten könnte, blieb ihm
allerdings versagt.
In einer der letzten Begegnungen hatte Pauli
noch die Gelegenheit, diese von ihm als Alexipharmakon (Gegenmittel)
gegen die quantenphysikalische Betrachtung der Natur aufgefasste
"Magie" Schopenhauers mit C.G. Jung zu diskutieren. Im August 1954
traf er ihn zum letzten Mal in dessen Turm in Bollingen am oberen
Zürichsee, und dieser verwies ihn in diesem Zusammenhang auf
Albertus Magnus' magische Vorstellungen, die mit einer
"'überschweren Form' der Materie" zusammen hingen.
Natürlich erinnern derartige Ideen sofort an die heute
künstlich hergestellten Transurane, aber auch an die
höherenergetischen Quarks und Leptonen, sowie an das
Bemühen der Physik, mit dem Higgs-Teilchen ein
"überschweres" Elementarteilchen zu finden, das der Vereinigung
der vier grundlegenden Wechselwirkungen dienen soll. Könnte
dieses Bemühen vielleicht einen ersten und unvollständigen
Versuch darstellen, sich der von Albertus Magnus, von Schopenhauer
und schliesslich von Wolfgang Pauli gesuchten neuen Form der Magie
anzunähern? Und könnte es nicht sein, dass dieser auf der
Macht des bewussten Willens beruhende, den "Gegenwillen" C.G. Jungs
missachtende und daher die Materie malträtierende Versuch zu
"Nachwirkungen" führt, die wir in den immer häufiger
werdenden UFO-Sichtungen und -Entführungen (abductions)
beobachten können? Und weiter: Könnten diese
UFO-Phänomene nicht darauf hinweisen, dass wir vor der Aufgabe
stehen, uns ernsthaft damit auseinanderzusetzen, wie die "schwarze
Messungs-Messe" der Quantenphysik überwunden werden
könnte?
Äusserst interessant und bedenkenswert
scheint mir jedenfalls, dass der Briefwechsel zwischen Wolfgang Pauli
und C.G. Jung mit einem Brief Jungs vom August 1957 über das
UFO-Phänomen endet. Wir sind nicht darüber unterrichtet,
was Pauli davon hielt. Doch wissen wir, dass die Idee einer
möglichen Ablösung der "schwarzen Messungs-Messe" der
Quantenphysik durch eine bewusstere Form der Magie ihn nicht mehr
losliess. Als er vier Jahre später in das Rotkreuz Spital
schräg gegenüber seinem ETH-Büro in Zürich
eingeliefert wurde, wo er am 15. Dezember 1958 sterben sollte, fand
man nach seinem Tod seine letzte Lektüre. Es war das Buch Der
Magier, Das Leben des Albertus Magnus, München, 1949 von
Rudolf Baumgardt.
1) Kurze Zeit
später schreibt Pauli der Sekretärin C.G. Jungs, Aniela
Jaffé, mit der er seine Gedanken ebenfalls erörterte,
dass in seinen Träumen in geheimen Laboratorien Atombomben
fabriziert werden, dass diese Produktion in diesen Träumen
jedoch doppelsinnig aufzufassen sei und in der
"physikalisch-symbolischen Sprache" den Individuationsprozess C.G.
Jungs meine. Diese Stelle zeigt, dass meine aufgrund anderer
Träume Paulis abgeleitete Hypothese der Transgressivität
der Radioaktivität und des Antineutrinos (s.u. und Radioaktivität
und Synchronizität im
Pauli/Jung-Briefwechsel)
aus diesen bisher nicht veröffentlichten Träumen Paulis
ebenfalls verifiziert werden könnte.
5.
Ein möglicher Weg zu einer neuen Geschlossenheit des
Weltbildes
Kehren wir nun zum Brief Paulis vom 13.
Oktober 1951 an Fierz zurück. Nach der Feststellung, dass die
"occasio" ein "revenue" der im 17. Jahrhundert abgedrängten
anima mundi in "verwandelter Gestalt" sei, fährt
Pauli fort:
"Es ist hier etwas
offengeblieben, was früher geschlossen schien und meine
Hoffnung ist, dass durch diese Lücke neue Begriffe an Stelle
des Parallelismus' eindringen werden, die einheitlich
zugleich physikalisch und psychologisch sein sollten. Möge
eine glücklichere Nachkommenschaft' dies
erreichen."
Offen geblieben ist, wie Paulis
Ausführungen zeigen, in der Physik natürlich das
Phänomen der Einzelbeobachtung. Einen ersten Ansatz zur
Lösung dieses Problems habe ich oben gegeben. Er besteht darin,
dass das Phänomen des wissenschaftlichen Bewusstseins und damit
zusammenhängend die Wahl der epistemiologischen Werkzeuge
kritisch unter die Lupe genommen werden. Wie wir gesehen haben,
führt dies auf die Forderung nach einer Aufgabe des in Raum und
Zeit willentlich fixierten Experimentes.
Es stellt sich nun die Frage, worin denn die
von Pauli erwähnte frühere Geschlossenheit liegt. Und wo
wäre dann eine neue Geschlossenheit als Nachfolgerin der
"lückenhaften Physik" zu suchen, für die man zudem neue
Begriffe an Stelle des "Parallelismus" zur Beschreibung und
Lösung des psychophysischen Problems suchen müsste?
Da sich Paulis Aussagen auf die
alchemistische Weltseele beziehen, können wir schliessen, dass
diese ursprüngliche Geschlossenheit offensichtlich mit ihr zu
tun haben muss. Wie wir gesehen haben, betrachtete der Alchemist - so
beispielsweise der von Pauli näher untersuchte Robert Fludd -
die Welt dieser anima mundi nicht mit unseren Augen. Für
ihn waren das "Teil" - das er, wie wir gesehen hatten, eigentlich gar
nicht akzeptierte - und das Ganze noch eine Einheit. Da das Teil im
Prinzip mit dem Ganzen identisch war, zog eine Veränderung in
diesem eine unmittelbare Veränderung des Ganzen nach sich, et
vice versa; mit dem mikrokosmischen Geschehen (bzw. mit dem Geschehen
in den "Einzelseelen") war ein sinnähnliches makrokosmisches
(bzw. eine Wandlung in der "Ganzheitsseele", d.h. der anima
mundi) verbunden.
Die Veränderung geschah mit Hilfe eines
nicht genauer erklärbaren, da göttlichen Aspektes der
Weltseele, der anima movens. Da im mittelalterlichen Denken
die Planeten Seelen besassen, die zudem mit der sie verbindenden
Weltseele im Prinzip identisch waren, existierte auch keine Spaltung
von Psyche und Materie. Die von Pauli angedeutete
Geschlossenheit des mittelalterlichen Weltbildes
bestand also darin, dass erstens Teil und Ganzes eine Einheit
bildeten (was eine "Parallelität" ausschliesst) und
zweitens alle Materie beseelt war (womit kein
"psychophysisches Problem" entstehen konnte). Eine
"psychophysische Parallelität" hatte demnach im
mittelalterlichen Weltbild gar keinen Platz.
Beide Aspekte dieses
mittelalterlichen Weltbildes - einerseits das Phänomen von Teil
und Ganzem, das die Beziehung in den Vordergrund stellte und das Teil
vernachlässigte, andererseits der Glaube an eine der Materie
inhärente Seele - wurden durch die Quantifizierung und
Mathematisierung der Wissenschaft im 17. Jahrhundert
(Galilei, Kepler, Newton) jedoch weitgehend
verdrängt. Daher ergab sich die Notwendigkeit, das
Postulat der "psychophysischen Parallelität" aufzustellen. Wie
wir gesehen haben, bezeichnete Pauli dieses Prinzip als "geistigen
Nebelflecken", da es unnötig ist, wenn die Beziehung der Seele
zur Materie kausal erklärt werden kann.
Das noch Ältere ist immer das
Neue". Wenn wir uns auf diese Feststellung Wolfgang Paulis besinnen,
werden wir zum Schluss gedrängt, dass das "Offengebliebe, was
früher geschlossen schien" die im 17. Jahrhundert
verdrängten Aspekte der Weltseele, nämlich die
Beziehung des Teils zum Ganzen einerseits, andererseits
aber die Beziehung von Psyche und Materie ist, und dass
eben diese zentralen Eigenschaften wieder in ein erneuertes Weltbild
aufgenommen werden wollen. Die Lösung dieses Problems
dürfte jedoch nur gelingen, wenn neue, die Physik und die
Tiefenpsychologie übersteigende Begriffe geprägt werden
können, die das Wesen der Weltseele adäquat beschreiben und
so dazu beitragen, ein vollständigeres, Materie und Psyche
umfassendes Weltbild begründen zu helfen.
Einen Anfang zur Überwindung der
Spaltung von Psyche und Materie machte C.G. Jung im Jahr 1946
durch die erweiterte Definition des Archetypus, die durch die
Einführung des Synchronizitätsprinzips nötig geworden
war. Dieses wurde ja eben postuliert, weil die psychotherapeutische
Erfahrung gezeigt hatte, dass innen und aussen, Psyche und Materie in
einer bis dahin unerklärlichen Weise verbunden sein müssen.
Jung wurde daher genötigt, den bisher rein psychisch
verstandenen Archetypus neu als "transgressiv", d.h. die Welt der
objektiven Psyche überschreitend und derart auch die Materie
umfassend zu definieren. Diesen erweiterten Archetypus, der
natürlich sofort an die Weltseele (= "Materie-Psyche") erinnert,
nannte er zudem psychoid, das heisst, "seelenähnlich". Jung
ahnte zwar, dass dieser transgressive Archetypus auch die Welt der
physikalischen Dimensionen, das heisst, Raum, Zeit und Gravitation
hinter sich lassen müsste, doch gelang ihm keine abschliessende
Sicht dieser Phänomene mehr.
Einen weiteren Fortschritt scheint mir meine
Hypothese der Transgressivität des Neutrinos (beziehungsweise
des Antineutrinos) darzustellen. Wie ich in Radioaktivität
und Synchronizität im
Pauli/Jung-Briefwechsel gezeigt habe,
weisen die Träume Wolfgang Paulis darauf hin, dass das
Antineutrino nicht einfach ein weiteres physikalisches Teilchen
darstellt, sondern dass es auch einen psychischen, vielleicht sogar
einen psychophysischen Aspekt besitzt, und dass dessen
"innerseelische Herstellung" mit Hilfe der Beobachtung von
Synchronizitäten geschieht, die ihrerseits mit einer psychisch
erlebten Verformung von Raum und Zeit einhergehen dürfte.
Die Lösung des Problems des
Zusammenhanges von Teil und Ganzem hat in der Physik insofern
eine erste Hürde genommen, als heute bewiesen ist, dass die so
genannte Nichtlokalität die Grundlage der Quantenphysik bildet.
Unter physikalischer Nichtlokalität versteht man das
Phänomen, dass zwei Teilchen, die einmal vereinigt waren, auch
nach ihrer Trennung in beliebiger Distanz derart miteinander
verbunden bleiben, dass eine Zustandsänderung beim einen
augenblicklich (instantan, d.h. mit höherer als mit
Lichtgeschwindigkeit) eine Zustandsänderung des anderen nach
sich zieht. Ein derartiges Geschehen kann nicht mehr kausal, d.h. als
Wirkung einer Ursache beschrieben werden. Das physikalische Geschehen
beschreibt also einen akausalen Zusammenhang, allerdings erst
zwischen zwei Teilchen und noch nicht zwischen Teil und Ganzem.
Dieser letztere Zusammenhang ist von C.G.
Jung mit der folgenden, bis heute unbewiesenen Hypothese umschrieben
worden: "Wenn hier im Punkt a etwas geschieht, welches das
kollektive Unbewußte berührt oder in Mitleidenschaft
zieht, so ist es überall geschehen.". Ich bezeichne einen
solchen hypothetischen Zusammenhang in einer bewussten Anlehnung an
das physikalische Geschehen als psychophysische
Nichtlokalität. In ihr geschieht im Gegensatz zum
physikalischen Prozess eine psychische Verformung von Raum und Zeit
(zu dieser s. Radioaktivität
und Synchronizität im
Pauli/Jung-Briefwechsel). [Anm.
2]
Zusammenfassend können wir also sagen,
dass eine grosse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die
Wiederkehr der Weltseele mit den folgenden Phänomenen verbunden
sein wird:
a) Das Erlebnis eines spontanen,
unvorhersehbaren Ereignisses, das das Bewusstsein plötzlich
und meist gegen seinen Willen überfällt. Dieses Ereignis
stellt dabei ein Produkt des den bewussten Willen kompensierenden
"Gegenwillens" des kollektiven Unbewussten (bzw. des psychoiden
Archetypus) dar.
b) Dieses unerwartete Ereignis ist
verbunden mit psychisch erlebten Verformungen von Raum und Zeit,
das heisst, mit dem Erlebnis einer psychophysischen
Nichtlokalität, die ihrerseits Ausdruck der Einheit von Teil
und Ganzem und jener von Psyche und Materie ist.
Wenn wir die Phänomenologie der bis
heute unerklärbaren Geschehnisse unter die Lupe nehmen und mit
der obigen vergleichen, sehen wir sofort, dass im Fall der UFO-Sichtungen
und -Entführungen ein grosser Grad von Übereinstimmung herrscht. Eine Untersuchung
dieser Phänomene auf dem Hintergrund der oben hergeleiteten
Hypothesen in Bezug auf eine heute konstellierte Wiederkehr der
Weltseele dürfte daher einen ersten Schritt in die Richtung
eines erneuerten Weltbildes darstellen, in dem unter
Berücksichtigung der Erkenntnisse der Quantenphysik ein
Rückbezug auf hermetisch-alchemistische Vorstellungen
möglich wird. Eine solche Vereinigung hat Wolfgang Pauli
gefordert und in seiner Aussage "Das noch Ältere ist immer
das Neue" ausgedrückt.
Anm. 2: Weitere Ausführungen
zu diesem neuartigen Konzept finden sich in meinen Kommentaren zu
Werner Zurfluhs Kristallisierenden Wassertropfen, Abschnitte
2.6.2, 2.6.3 (link1)
und 3.1.1 (link2).
Literatur:
Jung, C.G., Briefe I, 1906 - 1945,
Walter, Olten, Schweiz, 2. Aufl., 1973
Jung, C.G., Gesammelte Werke, GW
14/I, Walter, Olten, Schweiz, 3. Aufl., 1978
Laurikainen, K.V., Beyond the
Atom, The Philosophical Thought of Wolfgang Pauli, Springer,
Berlin, 1988
Meier, C.A. (ed.), Wolfgang
Pauli und C.G. Jung, Ein Briefwechsel 1932 - 1958, Springer
Verlag, Berlin, 1992
Pauli, Wolfgang, Wissenschaftlicher
Briefwechsel mit Bohr, Einstein, Heisenberg, u.a, ed. Karl v. Meyenn,
Bd. 4/I, Springer, Berlin, 1996
Pauli, Wolfgang, Wissenschaftlicher
Briefwechsel mit Bohr, Einstein, Heisenberg, u.a, ed. Karl v. Meyenn,
Bd. 4/II, Springer, Berlin, 1999
Abbildungsnachweis:
Die ob. Abbildung der Weltseele (anima mundi) publizierte C.G.
Jung in seinem Werk Psychologie und Alchemie, Rascher,
Zürich, 1944, S. 79 am Beginn der Ausführungen über
die Traumserie Wolfgang Paulis aus den frühen Dreissigerjahren
(heute in GW 12, S. 66). Sie stammt aus Robert Fludds Werk
Utriusque Cosmi Maioris scilicet et Minoris Metaphysica, Physica
atque Technica Historia, Oppenheimii, 1617, S. 4/5. Pauli war am
Alchemisten Robert Fludd als Gegenpol zu Johannes Kepler ausserordentlich stark interessiert und publizierte in Jung,
C.G., Pauli W., Naturerklärung und Psyche, Rascher,
Zürich, 1952 den Artikel Der Einfluss archetypischer
Vorstellungen auf die Bildung naturwissenschaftlicher Theorien bei
Kepler. Darin geht er ziemlich ausführlich auf diesen
Gegensatz zwischen den Anschauungen Keplers und Fludds ein. Jungs
Beitrag bestand in seinem Artikel über die
Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge.
Vgl.
auch die weiteren Artikel
in
http://www.psychovision.ch/synw/synfrsch.htm
Homepage
Remo F. Roth
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2.5.2002
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