Remo F. Roth

Dr. oec. publ., Ph.D.

dipl. analyt. Psychologe (M.-L. v. Franz)

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© copyright 1996 by Remo F. Roth, Zürich, Switzerland
 

Der Traum vom Vater, der von einem Einbrecher kaltblütig abgeknallt wird

 

Eine Frau von 29 Jahren, von Beruf Software-Ingenieurin, träumt folgende zwei Träume, die sie sehr beschäftigen:

"Den ersten Traum hatte ich schon vor ca. zwei Jahren, seither vergesse ich ihn nicht mehr und frage mich was er wohl zu bedeuten hatte. Ich träumte, dass ich im Hotel meiner Eltern in einem Gaestezimmer vor dem Spiegel stehe, als wunderschöne Braut, und von meiner Mutter und von Tanten noch zurechtgemacht werde. Dann sagte ich zu den Frauen, sie sollten schon mal vorgehen, ich wolle noch einen Augenblick alleine sein und dann nachkommen.

Als ich aber nach 5 Minuten runter ging, war da keine Menschenseele mehr und ich bin daraufhin in meinen Brautkleid durch die Gegend gelaufen, vorbei an einem See, durch den Wald, an fremden Menschen vorbei, bin immer verzweifelter gerannt, gestolpert, und nie ans Ziel gekommen auf der Suche nach meinen Hochzeitsgästen, sie waren einfach alle weg. Der dazugehoerenden Bräutigam kam im Traum nicht vor, und ich war damals auch nicht liiert, sondern single!

Der zweite Traum war erst vor ein paar Wochen. Ich träumte, in einem grossen Haus auf einer Party zu sein und war später auf der Suche nach der Toilette. Auf dem Rückweg von der Toilette zur Party überraschte ich einen Einbrecher, wie er gerade das Grundstueck über eine Mauer erklimmen wollte. Ich stand ängstlich und unbeweglich da, als plötzlich mein Vorgesetzer von der Arbeit mit ins Spiel kam (was mich sehr wunderte), und mit dem Einbrecher verhandelte, was ich mir aus einiger Entfernung dann ansah. Dann kam auch noch mein Vater, von Beruf Koch, und daher auch im Traum in Arbeitskleidung, und wollte sich einmischen, woraufhin der Einbrecher abrupt eine Pistole zog und meinen Vater kaltblütig abknallte, durch einen Kopfschuss. Entsetzt rannte ich zu meinem Vater, der am Boden lag, und wachte schreiend und schweissgebadet auf..."

Wie der Originalton dieser zwei Träume deutlich zeigt, war deren Inhalt für die Träumerin sehr beängstigend. Eine Traumregel besagt jedoch, dass solche Angst einflössende Personen und Dinge darauf hinweisen, dass man einen wesentlichen Aspekt seiner eigenen Persönlichkeit noch nicht bewusst angenommen hat. Daher kommen diese im Traum dann als Angreifer.

Als erstes fragte ich die Träumerin, welche Beziehung sie zu ihrem Vater habe. Wie ich vermutete, hat sie ein sehr enges Verhältnis zu ihm und liebt ihn sehr. Er ist ihr grosses Vorbild.

Frauen, die als "fille du papa" erzogen worden sind, haben später häufig das Problem, einen Mann zu finden. Denn an das Bild von diesem positiven Papa kommt kein Mann aus Fleisch und Blut heran. Im Vergleich zu ihm wird jeder Mann ein "nobody" bleiben.

Der erste Traum spricht daher davon, dass infolge dieser Problematik die Hochzeit nicht stattfinden kann, da eben der Bräutigam fehlt...! Eben dies ist aber eine Folge der zu starken Vaterbindung.

Da die Träumerin den Traum schon vor längerer Zeit geträumt hat, ihn aber immer noch erinnert, kann man schliessen, dass dieses Problem sehr tief ist. Sie wird sich daher intensiv mit der Lösung dieser Problematik befassen müssen. Diese Lösung ist in den meisten Fällen ebenfalls aus den Träumen ersichtlich.

Im zweiten Traum, der erst einige Wochen alt ist, wird einerseits die Problematik, andererseits eine mögliche Lösung geschildert. Der Vater mischt sich auch in Ihrem neuen Beruf stets ein. Dies muss nicht unbedingt bedeuten, dass die objektive Situation dem entspricht. Es kann auch sein, und dies ist der häufigere Fall, dass der "innere Vater", das heisst, die Überzeugungen und Meinungen, welche die Träumerin vom Vater übernommen hat, sich dauernd einmischen, beispielsweise mit den Worten: "Das macht man doch so und so...".

Der Einbrecher tötet diesen Vater kaltblütig mit einem Kopfschuss. Im Kopf sind die Gedanken und Überzeugungen, somit heisst das Motiv, dass die Träumerin eben diese von ihrem Vater übernommenen Ideen "abknallen" sollte.

Der unbekannte Einbrecher ist ein häufiges Motiv bei Frauen, welche in ihrem beruflichen oder geistigen Bereich einer Erneuerung bedürfen. Auch hier ist dies der Fall. Der Traum bringt uns nun aber auch auf die Spur, in welche Richtung diese Erneuerung gehen könnte. Ihr Vorgesetzter erlöst die Träumerin nämlich aus ihrer gefährlichen Situation mit dem ertappten Einbrecher. Somit sollte sie sich fragen, welche Eigenschaften, Ideen und Überzeugungen ihres Vorgesetzten jenen ihres Vaters widersprechen. Diese dürften die neuen Ideen sein, welche ihrem Leben eine neue Richtung geben könnten.

Gleichzeitig ist auch der Vater in gewissem Sinne "gestorben", da dessen Einfluss auf das Denken und Handeln der Träumerin relativiert wird. Da derart die übermächtige Dominanz des Vaters (der inneren Vaterfigur) abnimmt, wird mit der Zeit auch ein "Normalsterblicher" eine Chance bekommen, eine längerfristige intime Beziehung zur Träumerin eingehen zu können.

 

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