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Remo F. Roth
Dr. oec. publ., Ph.D.
dipl. analyt. Psychologe (M.-L. v. Franz)
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© copyright 1996
by Remo F. Roth, Zürich, Switzerland
Traumprotokoll
Nr. 2:
Der
Informatikkaufmann, der plötzlich von Träumen und Visionen
des Propheten Muhammad überfallen wurde
XY:
Sehr geehrter Herr
Dr. Remo Roth,
ich habe folgende
Träume, die ich nicht erklären kann, und die mir eigentlich
nicht wie normale Träume vorkamen. Wenn Sie mir diese
Träume erklären würden, wäre ich sehr erfreut.
Ich weiß
daß das folgende kein Traum war, weil ich dabei nicht schlief.
Es war aber merkwürdig. Ich wache in der Nacht auf. Ich
öffne meine Augen. Und in diesem Moment fühle ich,
daß ich mit der ganzen Welt zusammengeschmolzen bin. Es gibt
kein Ich, sondern wir sind alle eins. Das habe ich gefühlt. In
dem Moment fühle ich nur Gutes, es gab kein Kummer, keine
Sorge,....nur daß alles eins ist. Diese Gefühle waren sehr
stark. Sie waren stärker als eine geschlechtliche Vereinigung.
Sie waren sehr stark und dauerten ein paar Minuten. Was das alles
bedeuten soll, weiß ich nicht.
Im folgenden Traum
sah ich den Propheten Muhammad, und wir unterhielten uns als
wären wir jahrelange Freunde. Sein Kopf strahlte.
Schließlich sagte er mir, ich solle den holen, den ich sehr
liebe. Als er das sagte bin ich davon geflogen, um den zu finden, den
ich liebe. Dabei sah ich die Dinge so als würde ich wirklich ich
selbst fliegen. Es war kein Traum, sondern ich selbst flog. Danach
bin ich aufgewacht, nachdem ich irgendwie mit meinen eigenen
Körper und dem Körper der fliegt zusammengefunden haben
(Dabei war ich derjenige der flog). Dann fühlte ich Schwere in
meinem eigenen Körper und wachte auf.
Im folgenden waren
wieder meine Augen offen. Ich sah rechts von mir einen stehendem
Mann. Ich schaute ihm zu, er schaute mir zu. Niemand bewegte sich, er
bewegte sich nicht, ich bewegte mich nicht. Sein Gesicht konnte ich
nicht erkennen. Ich weiß nur, daß seine Zähne
dauernd glänzten. Innerlich sagte ich mir, jemand soll mir
helfen. Als ich das sagte, bin ich selbst nach oben geflogen. Dieses
Fliegen war wieder ganz echt. Ich flog durch die Decke meines
Zimmers. Als ich durch die Decke flog, fühlte ich die Decke,
mich selbst sah ich im Bett. Danach bin ich wieder durch eine Schwere
im eigenen Körper aufgewacht. Und es war alles wieder
normal.
Ich kann mir diese
Dinge nicht erklären. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie
diese deuten können.
PS: Nachdem ich
diese Träume gehabt hatte, habe ich mich mit Islam
näherbeschäftigt.
RFR:
Um Ihre Erlebnisse
deuten zu können, brauch ich noch einige Angaben:
1. Sind Sie ein
Mann oder eine Frau? XY: Mann
2. Sind Sie Muslim?
Haben Sie eine innere Beziehung zum Propheten? XY: Ja, bin Muslim. Ob
ich eine innere Beziehung zum Propheten habe? Nein, nicht daß
ich wüßte.
3. Kennen Sie die
Mystik des Islam, vor allem den Sufismus? XY: Nur von Namen her kenne
ich´s, ansonsten weiß ich nicht vom Mystik oder Sufismus
des Islam.
4. Welchen Beruf
üben Sie aus (oder Studium)? XY: Ich bin Informatikkaufmann,
zusätzlich beschäftige mich mit Motivation,
Höchstleistung, Verhaltensveränderung,
Persönlichkeitsentwicklung
RFR:
Im folgenden werde
ich versuchen, einiges zu Ihren Träumen bzw. Erlebnissen in
einem veränderten Bewusstseinszustand zu sagen, soweit ich dies
kann:
Ich fragte Sie, ob
Sie Erfahrungen mit der islamischen Mystik (Sufismus, vor allem von
Jalaludin Rumi) besitzen, weil Ihr Erlebnis völlig dem
mystischen Erlebnis der Einheit von Innen und Aussen entspricht. In
der christlichen Mystik, die ich besser kenne, nennt man dies die
Einheit der eigenen Innenwelt mit der anima
mundi,
d.h. mit der Weltseele. Diese war im Mittelalter neben dem
christlichen Gott eine Göttin, aber nicht personifiziert. Sie
entspricht einem Wesen, welches als "Hauch", "Seele", usw. den ganzen
Kosmos durchdringt. Die Vereinigung mit diesem kosmischen Wesen wird
des öfteren (auch in der islamischen Mystik) mit der
geschlechtlichen Vereinigung verglichen - aber eben, die Erfahrung
ist so intensiv, so unglaublich tief, dass erstere nur ein blasser
Schimmer der mystischen Erfahrung ist. Wenn ich mich richtig
erinnere, hat Jalaludin Rumi in seiner Jugend eine solche Erfahrung
gemacht, und er konnte danach nichts anderes mehr tun, als in
ekstatischen Gedichten und Gesängen eben dieser Erfahrung
beschreiben.
Daher glaube ich,
dass Ihre Erfahrung bedeutet, dass Sie ihre islamisch-mystische
Vergangenheit einholt. Ich würde daher einmal abzuklären
versuchen, ob Ihre Vorfahren nicht in irgend einer Weise in dieser
Tradition verwurzelt waren.
Im Gegensatz zum
Christentum ist der Prophet Muhammad ja kein Gott, sondern ein
gewöhnlicher Mensch, wie Sie und ich, der aber eben diese
mystische Gotteserfahrung gehabt hat. Der strahlende Kopf meint
"Erleuchtung" (gleiche Bedeutung hat der sog. "Halo", der
"Heiligenschein" in der christlichen Tradition, vgl. vor allem die
russischen Ikonen). So heisst diese Erfahrung, dass Sie in diesem
Moment in eine ähnliche Situation gekommen sind, wie der
Prophet. Was er Ihnen sagt, ist völlige sufische Mystik des Rumi. Auch er schrieb für seinen (wenn ich mich richtig
erinnere: abwesenden, weil ermordeten) geliebten mystischen
Freund.
Dieses Erlebnis
wird nun des öfteren vom Fliegen, Schweben begleitet, welches
aber mehr oder weniger kontrollierbar ist. Manchmal wird dies als
Austreten aus dem eigenen Körper (out-of-body-experience)
geschildert. In diesem Zustand kann man an andere Orte gelangen oder
sogar gleichzeitig an zwei oder mehreren Orten sein. Die
Rückkehr in den physischen Körper wird, wie bei Ihnen, als
Rückkehr in die Schwere erlebt, weil man eben vorher schwerelos
war. Des öfteren ist diese Erfahrung der Rückkehr negativ
beschrieben.
Offensichtlich
besteht die Hilfe für Sie (sofern Sie im Moment überhaupt
eine nötig haben) eben im "Fliegen". Was Sie hier beschreiben,
ist ein echtes "subtle body"-Erlebnis. Denn nur dieser
"Hauchkörper", ein Aspekt des Körpers, den wir nur durch
eine intensive Konzentration auf unsere Innenwelt (ich nenne sie auch
die "Innenansicht der Materie") erleben können, und der uns hier
im Westen völlig abhanden gekommen ist, kann Mauern, Decken,
usw. durchdringen. Die Unmöglichkeit der Bewegung deutet auf
"Ewigkeit" hin.
Die Zähne sind
die Hilfsmittel, mit denen wir uns "im Leben durchbeissen". Das Motiv
der glänzenden (Er-leuchtung!) Zähne besagt somit, dass es
für Sie essentiell wichtig werden wird, sich mit Hilfe der
"Erleuchtung der mystischen Schau der Welt" durch dieses Erdenleben
durchzubeissen.
Damit bin ich auch
bei Ihrem Beruf. Ich glaube diese "Träume" bzw. veränderten
Bewusstseinszustände kompensieren Ihre - bitte entschuldigen Sie
- vielleicht ein bisschen zu rationale, zu sehr auf "Machen"
(Motivation), Leistung ausgerichtete bewusste Einstellung. Im
positiven Sinn wollen sie Ihnen jedoch sagen, dass eben das, was Sie
als Inhalt Ihres Berufes erleben oder suchen, auf die "mystische Art
und Weise" gefunden wird. Für mich eine sehr tröstliche
Aussage.
Soweit meine
Anmerkungen. Ich kann Ihnen noch sagen, dass ich schon einige andere
Menschen über das Internet getroffen haben, welche mit einem
islamischen Hintergrund in Deutschland leben, und eben diese
"Rückkehr des mystischen Islam" erleben. Es scheint, als ob in
Ihnen - wie auch in den ob. erwähnten Menschen - sich eine
Versöhnung der westlichen, rationalen Kultur mit der
östlichen (islamischen, aber auch hinduistischen und
buddhistischen) Kultur vorbereite. In der heutigen Zeit der immer
grösseren Spaltung der Welt in eine "christlich-rationale" und
in eine "nichtchristlich-irrationale" scheint mir dies ein
tröstlicher Hinweis darauf zu sein, dass die Gegensätze
sich doch vereinigen wollen. Aber eben: Immer nur in einzelnen
Menschen, nicht in einem unbewussten Kollektiv, welches meist einem
machtbesessenen Guru verfällt.
XY:
Sehr geehrter Herr
Roth,
erstaunlich wieviel
man aus Träumen herauslesen kann, und wie wirklichkeitstreu Sie
diese für mich gedeutet haben. Einiges möchte ich
hinzufügen:
Bevor ich die
intensiven Erlebnisse hatte, war mein Lebensmotto, bis zur
völliger Erschöpfung zu arbeiten und Fortschritte zu
erzielen, privat wie beruflich. Dabei war ich immer unter
Streß. Die gutgemeintenVorschläge einiger Kollegen, ich
solle mehr schlafen, weniger arbeiten,...usw. waren nicht
befriedigend. Ich hatte die Erlebnisse u. Träume, als ich mit
Verwirrung und Erschöpfung zu Bett ging, und mir innerlich
sagte: "Gott hilf mir, Gott sende von Dir ein Zeichen, daß auch
mein Herz sich vollständig von Dir sicher wird. Als ich nach den
geschilderten Träumen beziehungsweise Erfahrungen die Stelle im
Koran las, daß der Prophet Abraham genau dasselbe (sogar mit
gleicher Wortlaut) vom Gott verlangt hat, war ich wirklich sehr
überrascht.
Zum Schluß
bedanke ich mich für alles, und bedanke mich besonders für
Ihre professionelle Deutung.
RFR:
Haben Sie / hast Du
ähnliche Träume? Dann würde ich mich gerne damit
beschäftigen. Ich freue mich auf einen Email
.
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Remo F. Roth
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